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Im Gespräch mit Kubuntu-Entwickler Harald Sitter

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Seit letztem Jahr gehört Harald Sitter zum Kreis der "Masters of the Universe" bei Kubuntu und engagiert sich nebenbei als Projektmanager für den Musikspieler Amarok. Das Ikhaya-Team hat mit dem Österreicher über die vierte KDE-Generation, das kommende Amarok 2 und das Verhältnis von KDE und GNOME gesprochen.

Welche Bereiche umfasst deine Arbeit für Kubuntu?

Primär bin ich einer der auf Kubuntu spezialisierten "Masters of the Universe" (das ist der Name für jene waghalsigen K/Ubuntu-Entwickler, die die Universe und Multiverse Bereiche von K/Ubuntu pflegen, also den Großteil der coolen Programme ). Das heißt, ich stelle sicher, dass die KDE-Programme in Ubuntu einerseits aktuell sind und andererseits fehlerfrei funktionieren. Anfang des Jahres war zudem der Startschuss für eine komplett neue KDE-Serie (KDE 4), daher gibt es auch einiges an Arbeit um neue Programme für KDE 4 so schnell wie möglich in Kubuntu anbieten zu könnnen (die Aufnahme neuer Programme ist übrigens auch zumeist Aufgabe der Masters of the Universe).

Ist der Job als Kubuntu-Entwickler deine hauptberufliche Tätigkeit?

Nein. Aber das muss ja nicht so bleiben.

Wie viele Stunden investierst du wöchentlich in deine Arbeit?

Viele, ziemlich viele, eigentlich absurd viele. Möchte gar nicht daran denken...

Beschreib doch mal deinen Weg von der ersten Linux-Installation bis hin zum Kubuntu-MOTU.

Uff, das klingt ja fast als ob ich das mit dem MOTU werden lange geplant hätte. Es war einmal vor einigen Jahren, da installierte ich Red Hat 8 und bald darauf Red Hat 9, mit GNOME versteht sich. Verstanden hab ich nur sehr wenig und konnte es gerade mal zum Musikhören und Internetsurfen gebrauchen, alles was darüber hinausgeht hätte wohl mein Wissen über Linux, bzw Red Hat Linux, ganz gewaltig überstiegen. So ging das einige Zeit bis SuSE Linux 9.0 auf den Markt geworfen wurde. Jetzt muss man vielleicht für die jüngeren Leser erwähnen, dass damals SuSE noch ne sehr starke Präsenz im deutschsprachigen Raum hatte (war ja ne deutsche Firma) und darum musste ich das natürlich ausprobieren. Ganz schlechte Idee, wie sich rausstellen sollte, war da einiges im Argen (die Tücken einer .0 version). Trotzdem sagte mir das System ziemlich gut zu und ich nahm das gelegentliche Neuinstallieren gerne in Kauf.

Meine Zeit mit SuSE waren 'die wilden Frickeljahre', da wurde einfach an jedem Rädchen und Knopf rumgedreht bis sich das System wiedermal mit einer Kernel Panic verabschiedete. Das war auch ganz lustig, bis zu jenem Tag an dem bekannt wurde, dass Novell (welches mittlerweile SuSE aufgekauft hatte) KDE in den Mülleimer werfen will. Ich glaube es ist klar das ich (als KDE-Fanatiker) ziemlich sauer war (zugegeben: so wütend war ich noch nie). Naja, jedenfalls sah ich Bedarf von SUSE weg zu kommen, und installierte mal Debian, Gentoo, Mandriva, Fedora und Kubuntu um eine neue Distro zu finden. Kubuntu war zwar nicht das beste dieser Systeme, aber das mit dem besten Ansatz. Im Laufe der Zeit lernte ich dann Pakete zu bauen (man will ja auch etwas beitragen) und wurde von Raphaël Pinson, einem Kubuntu-Entwickler, gebeten meine Pakete über MOTUs in Ubuntu zu veröffentlichen. Das tat ich dann auch, bis es meinen Sponsoren zu nervig wurde und ich eine Mitgliedschaft in diesem Verein beantragte. Naja, jetzt sitze ich hier und habe ein Interview.

Was magst du an deiner Arbeit besonders?

Besonders, hm, also besonders mag ich an meiner Arbeit eigentlich das Ergebnis, also das Gefühl, dass das was wir (Ubuntu/Kubuntu) machen einen Nutzen hat und Sinn macht: https://lists.ubuntu.com/archives/kubuntu-devel/2008-May/002308.html

An welchem Projekt arbeitest du im Moment?

Im Moment noch an Amaroks Project Neon. Falls das der Eine oder Andere nicht kennt: Amarok bietet seit einiger Zeit täglich neue Pakete der aktuellsten Entwicklungs-Version zur Installation an. Der Vorteil von Project Neon ist, dass man zum einen nicht selbst kompilieren muss und zum anderen wird das Programm in einer Sandbox ausgeführt (also in einer Umgebung, die unabhängig von der normalen Arbeitsumgebung ist). Wir arbeiten gerade daran auch KDE Pakete anzubieten und den Dienst auf openSUSE auszuweiten. Nebenbei versuche ich neue Kubuntu Entwickler auszubilden, mit denen ich mich demnächst hoffentlich auf KDE 4.1 stürzen kann, um einen perfekten Desktop für Kubuntu 8.10 zu liefern.

Hast du jemals daran gedacht, deinen Posten als Ubuntu-Entwickler aufzugeben?

Nie wirklich ernsthaft, aber nicht alles bei Ubuntu ist eitel Wonne. Vor einiger Zeit war wieder diese 'KDE is a 2nd class citizen' Diskussion am Laufen. Dabei gehts darum, dass viele Leute den Eindruck haben Canonical (also jenes Unternehmen, welches am meisten Geld in Ubuntu buttert) behandle KDE nicht wie es GNOME behandelt. Das ist zwar bis zu einem gewissen Grad richtig, aber das Geschäftsmodell von Canonical baut nunmal auf GNOME/Ubuntu auf. Microsoft sponsort ja auch nicht die Linux-Entwicklung. Jedenfalls finde ich es ziemlich unhöflich wenn Leute, teilweise aus unserer Community, behaupten, dass Kubuntu im Vergleich zu Ubuntu totaler Müll ist, und damit die Arbeit von mir und meinen Kollegen aufs Übelste abwerten. Solche Aussagen schlagen mir auf die Arbeitsmoral, aber wenn dieser Eindruck besteht, ist das eigentlich Anreiz noch mehr und noch härter zu arbeiten.

Was motiviert dich dazu, dem Ubuntu-Projekt zu helfen?

Das mag jetzt sehr banal klingen, aber im wesentlichen ist es die Tatsache, dass ich Kubuntu verwende. Natürlich verwende ich Kubuntu nicht ohne Grund: nette Leute, geniales Konzept...

Was gefällt dir an Kubuntu am besten, wo besteht Verbesserungspotenzial?

Also wenn ich das wüsste. Ich glaube am besten ist die Orientierung auf den Benutzer, bzw. die Festlegung auf eine Zielgruppe. Es wird klipp und klar für den normalen Benutzer gearbeitet, was meiner Meinung nach nicht falsch ist, denn wer weiß wie man eine Konfigurations-Datei bearbeitet, der sollte auch kein Problem damit haben irgendwo ein Häckchen zu machen (einfache Änderung von Einstellungen ist ja eine der großen Stärken von KDE).

Ein großes Problem sehe ich in der Gesamtkonsistenz des Systems. Wir sind aktuell, meiner Meinung nach, zu wenig Leute um beste Funkionalität in allen Bereich zu gewährleisten. Jedesmal wenn wir einen Bereich verbessern, müssen wir einen anderen vernachlässigen, obwohl wir dort genau so gute Verbesserungen hätten vornehmen können. Das lässt alles etwas merkwürdig erscheinen, weil manche Teile von Kubuntu total aufpoliert sind und andere nur mit gewohnt hoher KDE-Liebe daherkommen. Ich hoffe, dass wir das in den nächsten 2 Release-Zyklen beheben können. Immerhin haben wir aktuell sehr viele neue Leute im Team.

Was erwartest du von Kubuntu 'Intrepid Ibex' 8.10?

Dem Benutzer zu zeigen, dass ich tatsächlich Recht hatte, als ich sagte, dass KDE 4 große Möglichkeiten bietet.

Warum hast du dich für die Benutzung der K-Arbeitsumgebung entschieden?

Entschieden? Ich glaube das war eher Zufall, und ganz unter uns, eigentlich verwende ich auch sehr häufig GNOME. Auf meinem Laptop findet sich meist ein GNOME-Desktop. Dazu muss ich sagen, dass ich prinzipell keinen der 2 Desktops schlechter als den anderen finde (beide haben Stärken und Schwächen), aber ich bin jemand der viel Abwechslung braucht. Ansonsten wird mir schnell langweilig.

Wie bewertest du die Einführung der vierten KDE-Generation?

Um mich selbst zu zitieren: große Möglichkeiten. Wer KDE 4.0 mal ausprobiert hat, der hat sicher einige Ecken bemerkt, das sind allerdings größtenteils Kinderkrankheiten, die mit der Zeit verschwinden. Es zählt was sich unter der Haube verbirgt und da sind mit Phonon, Solid, Akonadi, Decibel und Nepomuk einige ziemlich geniale Systeme. Damit ich jetzt nicht zuweit abschweife, erkläre ich am besten nicht, was diese Dinger machen (Google weiß das ohnehin besser). Diese Technologien, in Verbindung mit den Möglichkeiten die Qt 4 und KDELibs 4 bieten, versprechen fantastische Entwicklungen in KDE 4.

Nehmen wir als Beispiel Amarok: über Phonon wird Musik ausgegeben, ich stecke an meinen Laptop einen USB-Kopfhörer an, Solid erkennt das Ding und stellt sicher, dass Phonon davon erfährt, Phonon weiß, dass ich ihm mal gesagt habe, die Kopfhörer zu verwenden wenn verfügbar, Phonon stellt die Audioausgabe automatisch um. Bewertungen und ähnliches liegen in Nepomuk, ich bearbeite einen Tag im Dateimanager Dolphin, Nepomuk ändert den Eintrag und Amarok passt sich sofort an. Mein Freund Alex spricht über Jabber von einem Lied, das ich ihm vor 3 Wochen per Mail geschickt habe, mein Instant-Messanger Kopete weiß, durch Nepomuk, dass ich dieses Lied habe und durch Akonadi, dass ich es an Alex geschickt habe, er schließt darauß, dass Alex von genau diesem Lied sprechen muss und bietet mir an, den Song in Amarok abzuspielen. In Amarok kann ich mir direkt aus dem Web Informationen über das Lied und die Band holen, erfahre dadurch, dass diese Band am Wochenende einen Gig ganz in der Nähe hat und schicke den Link zur Website per Drag & Drop von Amarok via Kopete an Alex. Am Wochenende tanzen wir uns halbtot und wissen, dass am Dienstag eine neue Version von KDE veröffentlicht wird, die noch viel genialer wird.

Was muss bis zur Veröffentlichung von KDE 4.1 unbedingt noch verbessert werden?

Plasma hat durch eine ziemlich große Änderung einiges an neuen Fehler aufgenommen, die man möglichst alle vor 4.1.0 beheben sollte. Ansonsten präsentiert sich die aktuelle KDE-Entwickler-Version als ziemlich solide und hübsch aussehend.

Was denkst du über das Verhältnis von KDE zum GNOME-Projekt?

Perfekt, seit der Gründung von freedesktop.org (einem eigenen Projekt, das sich damit beschäftigt, wie man gewisse Sachen in KDE, GNOME, XFCE etc. vereinheitlichen kann) gibt es rege Zusammenarbeit. Und ich kenne nur wenige KDE-Leute, die aus Prinzip ungerne mit GNOME-Leuten einen trinken gehen würden. Grundsätzlich ist es aber so, dass KDE und GNOME ein Ökosystem bilden, keiner der beiden der Desktops wäre heute von so hoher Qualität und Funkionalität ohne die Konkurenz durch den Anderen. Natürlich gibt es auch noch Windows und Mac, aber genau betrachtet, ist das eher indirekte Konkurenz und daher nur bedingt förderlich, vor allem ist weder Windows noch Mac besonders an Innovation interessiert.

Was sagst du zu Aaron Seigos Keynote, den KDE-Desktop mehr mit dem Web zu verschmelzen zu wollen?

Macht Sinn. Die Idee ist aber nicht neu, wir verschmelzen schon seit Monaten Amarok mit dem Web. Der Trend geht eindeutig in Richtung Integration von Webfunktionen, man sieht das ganz gut an den diversen Widget-Programmen die Online-Inhalte direkt auf den Desktop kleben, oder auch an Mozillas Prism Projekt, dass es sich ja zum Ziel gesetzt hat, Online-Applikationen wie Google Docs als "normal" installierte Programme anzuzeigen.

In der letzen Woche konnte man dich als Redner beim LinuxTag 2008 antreffen: Welche Eindrücke nimmst du aus Berlin mit?

Den LinuxTag muss man zumindest einmal besucht haben. Immer gute Atmosphäre, nette Leute und coole Sachen, die man einfach gesehen haben muss. Besonders viel Spaß machts natürlich in unserer Geek Kommune mit Leuten von KDE, Amarok und Kubuntu. Einen guten Eindruck davon bekommt man in den Blog-Einträgen von Stephan Hermann (auch ein MOTU):

Was sind die Vorteile von Amarok gegenüber anderen Musikspielern?

Ne schwierigere Frage als diese gibt es wohl kaum. Die Vorteile sind für jeden andere. Manche finden die Oberfläche einfach nur genial, andere die Kontextinformationen, wieder andere haben die Liedtextintegration sehr gerne, und ich mag die Playlisten sehr gerne (die, egal wie man es dreht, in so ausgeklügelter Form nur bei Amarok zu bekommen sind). Insgesamt glaube ich aber, dass die Gesamtkomposition von Amarok besser ist als bei vielen anderen Musikabspielprogrammen.

Worin wird sich Amarok 2 von seinem Vorgänger unterscheiden?

Am Offensichtlichsten durch das Aussehen. Amarok 1 hat ja als XMMS-"Klon" angefangen, ein kleiner Dateimanager + Playlist + Kleines Wiedergabefenster. Im Laufe der Zeit wurden es allerdings immer mehr Funktionen, so dass nun die Sammlung, welche ja im ursprünglichen Konzept gar nicht vorgesehen war, ebenso wie Kontextinformationen wie Liedtexte, Wikipediainformationen, Album-Cover etc. zentraler Bestandteil von Amarok1 ist. Basierend auf dieser Überlegung haben wir also die Kontextinformationen wortwörtlich in den Mittelpunkt gerückt und gleich noch um viele Möglichkeiten erweitert. Was früher statisch programmierter HTML-Code war, ist in Amarok 2 genau wie Plasma ein Ablageplatz für Widgets (Plasmoids im Fall von Plasma) und kann daher wesentlich leichter um Funktionen erweitert werden.

Eine Zweite große Änderung ist die Erstellung eines sogenannten Internet-Service-Frameworks, also einer Ebene an die sich verschieden Plugins anbinden können um Inhalte in Form einer Sammlung in Amarok 2 anzuzeigen. Dieses Framework ist aus dem Magnatune.com Shop in Amarok 1 enstanden, also wer da schon einmal reingeschaut hat, der weiß wie diese Internet Services aussehen. Aktuell wird unterstützt: Magnatune.com (Indie Musik-Label mit Creative Commons Musik), Jamendo (Online-Plattform für Creative Commons Musik), Ampache (Musikserver den man zB im lokalen Netzwerk einsetzen kann um Musik überall per Web-Interface, bzw über Amarok verfügbar zu machen), Shoutcast (Online-Verzeichnis von Web-Radios) und auch die Last.fm Unterstützung wurde in einen solchen Internet Service ausgelagert. Soweit die 2 großen Änderungen, natürlich kommt im Laufe der Zeit noch einiges dazu, vorallem was die Integration mit neuen KDE 4 Diensten wie Nepomuk angeht.

Welche Anwendungen stehen bei dir unter den Top-5?

Plasma (inkl. KRunner), Quassel, Kate, Konqueror, Banshee

Wenn dich ein Neuling fragt, was Kubuntu ist: Welche Antwort gibst du ihm?

Kubuntu ist eine Sammlung der besten Computerprogramme der Welt.

Wo siehst du dich und deine Arbeit für Kubuntu in 5 Jahren?

Weltherrschaft.

Welche Linux-Websites sollte man unbedingt mit einem Lesezeichen versehen?

Wie schaut dein Desktop aus?


Wie verbringst du deine Zeit, wenn du nicht gerade an deinem Computer arbeitest?

Eigentlich bin ich ja ein Café-Mensch. Würden diese Läden nicht irgendwann schließen, würde ich vermutlich sogar dort schlafen.

Wofür kannst du dich begeistern?

Kaffee, abends auch gerne mal ein Bier. Und für Shoppingausflüge! Nichts geht über Shoppingausflüge!!!!

Wie würdest du dich mit einem Wort beschreiben?

merkwürdig

Drei Orte, die man in deiner Heimat Österreich definitiv gesehen haben sollte?

  • Einen Keller (ja, dieser Gag musst jetzt sein)
  • Meine Lieblingsbar - S|presso in Lambach, Oberösterreich
  • Wer's gerne touristisch "ruhig" hat: Zentralfriedhof in Wien; wer's gerne etwas lauter hat: Tunnel in Linz (die Youtube hat da sicher ein paar nette Videos)

Welches Buch und welchen Film würdest du jedem Menschen empfehlen?

Film: The Company, Buch: In der Sache J. Robert Oppenheimer von Heinar Kipphart

Welche Lieder dürfen in keiner Playlist fehlen?

  • Reel Big Fish - Beer
  • Binärpilot - Tokymatrix 3000
  • Pendulum - Another Planet

Mit welcher Person würdest du gerne mal für einen Tag tauschen?

Mit ner Miezekatze (wenn man die denn als Person bezeichnen darf... da kommt dann sowas raus).

Wohin geht es in diesem Sommer in den Urlaub?

FrOSCon, St. Augustin. Mein letzter richtiger Urlaub ist schon etwas länger her.

Wer wird Europameister 2008?

Öh, egal, die Jungs sehen doch alle süß aus

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