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ORR: Interviews mit Verantwortlichen von OpenOffice.org und LibreOffice

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Auf der OpenRheinRuhr waren viele OpenSource-Projekte mit ihren eigenen Ständen vertreten. Mit dabei waren auch OpenOffice.org und LibreOffice. Mit den Verantwortlichen führten wir Interviews.

Ende September berichteten wir über die Aufspaltung des OpenOffice Projektes in OpenOffice.org (gehört zu Oracle) und LibreOffice (die Abspaltung der Community). Zuvor hatte das Projekt seinen zehnten Geburtstag gefeiert. Auf der OpenRheinRuhr haben wir mit zwei Vertretern über das Verhältnis zwischen OpenOffice.org und LibreOffice geredet.

Interview mit Jacqueline Rahemipour von LibreOffice

Stelle Dich bitte zunächst unseren Lesern vor!

Mein Name ist Jacqueline Rahemipour. Ich war bis vor kurzem Projektleiterin im deutschsprachigen OpenOffice.org-Team und war dort vor allem in den Bereichen Qualitätssicherung, Lokalisierung und Marketing aktiv. Seit kurzem bin ich engagiert für LibreOffice und der Document Foundation. Vieles befindet sich noch im Aufbau, dort wirke ich wieder insbesondere im deutschsprachigen Bereich mit.

Wie sehen die aktuellen Planungen für LibreOffice aus?

Im Moment wollen wir vor allem neue Entwickler, die etwas zu LibreOffice beitragen möchten, für das Projekt begeistern. Da das Projekt neu entstanden ist, müssen wir jetzt natürlich auch noch die ganze Infrastruktur erstellen, wie zum Beispiel die Webseiten, Kontaktmöglichkeiten schaffen und all diese Dinge.

Du warst ja bei OpenOffice.org, warum bist Du jetzt bei LibreOffice?

Dafür gibt es viele Gründe. OpenOffice.org ist in vielen Bereichen von dem Hauptsponsor Oracle abhängig. Das gab zwar Planungssicherheit, schränkte die Möglichkeiten der Mitbestimmung aber an vielen Stellen stark ein. Mit LibreOffice haben wir größere Freiheit und die Community kann selbst und unabhängig entscheiden. Zudem haben wir mit LibreOffice einfachere Möglichkeiten, neue Entwickler zu erreichen.

Kann man schon abschätzen, welche Linux-Distributionen LibreOffice nutzen werden?

Alle größeren Linux-Distributionen sind mit dabei. Darunter haben unter anderem Debian, Ubuntu und Red Hat angekündigt, LibreOffice vorinstalliert anzubieten. Dies werden die Distributionen durchführen, sobald die erste stabile Version von LibreOffice erschienen ist.

Kann man in etwa sagen, wann die erste stabile Version das Licht der Welt erblicken wird?

Im Moment ist LibreOffice Beta 3 zum Download verfügbar. Aktuell finden ausgiebige Tests statt, für die wir auch noch Helfer benötigen. Ein Termin für die erste stabile Version steht noch nicht fest, aber ich gehe davon aus, dass diese spätestens im Januar 2011 zur Verfügung stehen wird.

Hat sich eine der großen Distributionen gegen LibreOffice entschieden?

Bisher nicht, nein.

Wie viele Personen sind von OpenOffice.org zu LibreOffice gewechselt?

Aus dem deutschsprachigen Projekt ist ein Großteil der verantwortlichen Personen gegangen. Neben den beiden Projektleitern sind auch die meisten der aktiven Helfer in den Bereichen Übersetzung, Marketing, Dokumentation und Qualitätssicherung zu LibreOffice gewechselt.

Hat LibreOffice noch etwas mit Oracle zu tun? Wird miteinander geredet bei der Entwicklung?

Derzeit fließen Weiterentwicklungen, die in OpenOffice.org (OOo) gemacht werden, auch in LibreOffice mit ein. Umgekehrt ist dies nicht der Fall, da Oracle für Codebeiträge die Unterzeichnung eines Agreements verlangt. Daher werden direkte Beiträge zu LibreOffice derzeit ausschließlich dort zu finden sein. Langfristig ist davon auszugehen, dass sich die beiden Versionen auseinander entwickeln werden.

Was genau ist ein Agreement?

Ein Agreement ist eine Erklärung, die man gegenüber Oracle abgibt und damit Oracle gewisse Rechte einräumt. Wenn man zu OpenOffice.org einen Beitrag leisten möchte, dann muss man vorher das Sun Contributor Agreement (SCA (PDF) ⮷ ) unterzeichnen. Dies gilt nicht nur für Beiträge in Form von Quellcode, sondern auch für andere Dinge wie Übersetzungen, Dokumentationen und Vorlagen.

Welche Rolle spielt die Document Foundation bei der Entwicklung von LibreOffice?

Vor 10 Jahren, zur Gründung des Projekts OpenOffice.org, wurde bereits geplant eine unabhängige Stiftung ins Leben zu rufen, um dort alle Aktivitäten rund um das Projekt zu bündeln. Mit der Gründung von The Document Foundation wird dieser wichtige Schritt nun verwirklicht, und somit wird es für Entwickler einfacher, sich bei LibreOffice zu beteiligen, da dies auch mit dem eben angesprochenen Agreement zusammen hängt.

Warum kann LibreOffice auch in zwei Jahren gute Software anbieten, auch wenn ein Teil der Community sich nicht abgespalten hat?

Weil LibreOffice als Projekt für freiwillige Mithelfer einfach attraktiver ist als OpenOffice.org, und daher hoffe ich, dass dann eine große Entwicklerbasis vorhanden sein wird. Auch für Firmen, die LibreOffice unterstützen möchten, wird es durch die unabhängige Foundation einfacher werden, sich zu beteiligen.

Wie bist Du als Frau damals zu OpenOffice.org gekommen?

Ich war vorher normale Anwenderin, die im OpenOffice.org-Projekt die für OpenOffice.org üblichen Fragen gestellt hat. Ich habe dort schnell erfahren, wie gut einem geholfen wird und habe mich dann dazu entschlossen selbst beizutragen, um auch selbst weiter zu helfen.

Wie kann man bei LibreOffice teilnehmen?

Der Einstiegspunkt ist die Webseite von TheDocumentFoundation 🇬🇧 . Dort erhalten sowohl Entwickler als auch Anwender Informationen, wie sie etwas zum Projekt beitragen können. In Kürze stehen zudem deutschsprachige Webseiten unter http://de.libreoffice.org zur Verfügung.

Vielen Dank für das Gespräch, Jacqueline.

Interview mit Mechtilde Stehmann von OpenOffice.org

Stelle Dich bitte kurz vor.

Ich bin Mechtilde Stehmann und bin ehrenamtliche Ansprechpartnerin für Qualitätsmanagement beim OpenOffice.org-Projekt. Zu meinen Aufgaben stehen unter anderem die Release-Freigabe für die deutsche OpenOffice.org-Community.

Stirbt OpenOffice.org aus?

Es ist zu früh, etwas dazu zu sagen. An OpenOffice.org 3.3 wird noch gearbeitet; es soll in den nächsten Wochen erscheinen. An Version 3.4 wird schon gearbeitet. Die Entwicklerversionen stehen frei auf den Servern zur Verfügung. Zu dem muss man noch erwähnen, dass es eine offizielle Zusage von Oracle gibt, dass OpenOffice.org weitergeführt wird.

Viele wichtige Personen haben OpenOffice.org verlassen. Soll das Projekt so weiter bestehen? Wie sieht die zukünftige Planung aus?

Es haben in der Tat viele Personen das Team verlassen, davon waren auch viele wichtige und ranghohe Personen. Im Moment schauen wir, wer konkret wo mit welchem Einsatz mitmacht. Es haben sich auch schon einige neue Helfer gemeldet. Eine konkrete Planung zur Neubesetzung vakanter Positionen gibt es aber noch nicht; die wird es erst nach dem Release von 3.3 geben.

Wie stellst Du Dir die Zukunft von OpenOffice.org vor, nachdem LibreOffice entstanden ist?

Also das Projekt OpenOffice.org wird weiter entwickelt, dabei wird auch der Releasezyklus beibehalten. Wobei wir in der letzten Zeit eine sehr hohe Releasefrequenz hatten; das wird eher wieder normalisiert werden. Wie sich LibreOffice positionieren wird, wissen wir noch nicht.

Die wichtigsten Linux-Distributionen werden LibreOffice verwenden. Was sagst Du dazu?

Es ist noch nicht absehbar, welche Linux-Distributionen welche Version verwenden werden. OpenOffice.org wird weiterhin für die Paketsysteme hergestellt werden. Wir haben schon immer Pakete für GNU/Linux angeboten, und das wird auch immer so sein. Im Namen der deutschsprachigen Community wird allerdings nichts veröffentlicht, was nicht von der deutschsprachigen Community ausreichend getestet wurde. Deb-Pakete werden auf jeden Fall weiter veröffentlicht.

Warum kann OpenOffice.org auch in zwei Jahren noch gute Software anbieten, auch wenn ein Teil der Community sich abgespalten hat?

Ich denke kein Mensch ist unersetzbar; andernfalls wäre es schlechtes Projektmanagement.

Vielen Dank für das Gespräch, Mechtilde.

Veröffentlicht von svij | 28. November 2010 13:30 | Kategorie: Software | # Fehler im Artikel melden

unbekannt1984

1 28. November 2010 14:00

Hallo,

wieder mal ein interessanter Beitrag, für den ich mich zunächst bedanken möchte.

Kleine Korrektur:

Die wichtigsten Linux-Distributionene werden LibreOffice verwenden. Was sagst Du dazu?

sollte wohl: "Linux-Distributionen" heißen.

Torsten

Ritze

Avatar von Ritze
2 28. November 2010 14:21

@1: Jo, so sollte es heißen. Hab's verbessert. Danke.

Gruß Ritze

Silmaril

Avatar von Silmaril
3 28. November 2010 14:24

Tolle Idee zwei ranghohe Community-Mitglieder beider Seiten einfach mal gleiche oder ähnliche Fragen zu stellen und diese dann nebeneinander zu stellen.

Ich denke nicht, dass OO.o weiterhin einen spürbaren Community-Bezug haben wird, wenn die meisten Mitglieder sich abgespalten haben. OO.o wird ein Oracle-Produkt sein. Noch mehr als es früher ein Sun/Oracle-Produkt war. Wahrscheinlich werden sie auch noch quelloffene Versionen bereitstellen, aber die richtigen Neuerungen werden zumindest zuerst in kostenpflichtigen Unternehmensversionen umgesetzt werden.

Ich hoffe, dass LibreOffice ungefähr den gleichen Weg gehen könnte, den Mozilla gegangen ist. Dazu müsste man den Code aufräumen, die Oberfläche schöner und funktionaler machen (so etwas wie Funktionsleisten an der Seite statt ellenlange Menüs?) und den Ressourcenverbrauch abspecken. Ansonsten finde ich KOffice eigentlich auch nicht schlecht. Das Bedienkonzept finde ich moderner und besser. Allerdings war es seit ich es das erste mal probiert habe, noch nicht wirklich ausgereift.

PhotonX

Avatar von PhotonX
4 28. November 2010 14:37

Na da bin ich mal echt gespannt, wie das weitergeht! OOo und LibreOffice ist ein Exempel für zwei Modelle der Softwareentwicklung; da beide den gleichen Anfangspunkt haben, wird es interessant zu beobachten, welches Konzept zu besseren Ergebnissen führt. Ich drück LibreOffice auf jeden Fall die Daumen! ☺

tb21680

Avatar von tb21680
5 28. November 2010 14:40

Auch ich denke, daß LibreOffice eine gute und erfolgreiche Zukunft haben wird. Warten wir es ab und drücken wir LibreOffice alle Daumen, die wir haben 😉

DonKrawallo

Avatar von DonKrawallo
6 28. November 2010 14:53

Danke für den Artikel. Gab es einen Grund, warum das Interview mit Frau Stehmann verhältnismäßig kurz geraten ist? Wollte sie nicht? Wolltet ihr nicht? 😉

Dafür der 1.Teil mit Jacqueline Rahemipour besser. Hat einige Fragen bei mir über LibreOffice beantwortet.

Gruß
DonKrawallo

damasel

Avatar von damasel
7 28. November 2010 16:04

Ich hoffe das beide Projekt das beste schaffen was möglich ist ☺ so kann jeder wählen welches Produkt er einsetzen möchte.

Fun_is_Live

Avatar von Fun_is_Live
8 28. November 2010 17:10

Danke erstmal für den Beitrag.

Ich bin gespannt, wie sich die Projekte weiterentwickeln. Ich hoffe, dass die Konkurrenz nicht so groß zwischen beiden wird, sodass der große Konkurrent MS Office weiterhin unter Druck gesetzt wird und sich ein ausgeglichener Markt entwickelt. Nicht immer müssen viele Projekte gut sein.

Ich hoffe, LibreOffice macht da weiter, wo sie mit Openoffice geendet haben und ich ihnen noch lange Treu sein kann.

FriedChicken

9 28. November 2010 19:30

Danke für das Interview, ich finde es sehr informativ und gut gelungen!

Etwas verwundert bin ich allerdings über:

Mechtilde Stehmann:

"Ich denke kein Mensch ist unersetzbar; andernfalls wäre es schlechtes Projektmanagement.

Wurde da etwas gekürzt? Oder hat sie sich etwa nur unglücklich ausgedrückt?

Ich finde jedenfalls, dass "kein Mensch ist unersetzbar" (vor allem aber nicht nur im Open-Source-Umfeld) sehr hart klingt! Wäre da nicht ein gewisses Bedauern über den Fortgang und ein abschließendes, positives "Das werden wir schon schaffen" angebracht gewesen?

DonKrawallo

Avatar von DonKrawallo
10 28. November 2010 19:36

@9: Es klingt nach Frust und/oder Trotz. Allerdings finde ich den Ton nicht unangebracht. An jeder Situation etwas positives finden ist nicht zwnagsläufig Open Source Stil. Ganz im Gegenteil: Meiner Erfahrung nach ist der Umgangston gerne mal etwas rauer als das hier...

Gruß
DonKrawallo

pitt-admin

11 29. November 2010 09:45

Ist ja ganz nett aber meine Entscheidung ist gefallen, Koffice soll es sein und hoffe es wird noch stabiler insbesondere kspread. OO.o wurde kpl entfernt.

pjw1965

12 29. November 2010 14:26

Schade um die Zersplitterung der Ressourcen. LO und OO.o brauchte es nicht wirklich beides. So wird beides halb so gut.

Haben denn die Leute von LO vorher das Gespräch bei OO.o gesucht? Es wäre für alle besser gewesen, hätten sie sich einigen können.

Ich bleibe vorerst bei OO.o (werde meine LTS noch länger behalten).

gflash

Avatar von gflash
13 29. November 2010 16:32

Danke für diese interessanten Interviews. Die letzte Antwort von Frau Stehmann könnte auch einfach für einen trockenen Humor stehen; wir werden es wohl nie Erfahren, da Text keine Tonlagen mittransportiert. Ich würde da jedenfalls nicht zu viel hinein interpretieren.

Was mich etwas gestört hat ist die Frage "Wie bist Du als Frau damals zu OpenOffice.org gekommen?" an Frau Rahemipour. Sie hat nichts mit dem Thema zu tun, und es sollte auch nicht als etwas ungewöhnliches dargestellt werden dass eine Frau an einem Open Source Projekt mitarbeitet, was aber allein durch die Frage geschehen ist.

Lignux

14 29. November 2010 16:57

Sehr schöne Interviews

Was mich allerdings doch interessieren Würde, ist die Frage, welche Gründe es für Frau Stehmann gibt, bei OOo zu bleiben?

Ist es, wie es @10 sagt, eine gewisse Frust/Wut? Oder kriegt mann als Mitarbeiter von Oracle vielleicht auch Geld?

Das_Auge

Avatar von Das_Auge
15 29. November 2010 21:04

Ich interpretiere in das "kein Mensch ist unersetzlich" hinein: Das Projekt ist so aufgebaut, dass es nicht von einzelnen Personen abhängt.

Diese Frage habe ich mir beim Linux-Kernel schon ein paar mal gestellt: Was, wenn Linus stirbt?

tomtomtom

Supporter

Avatar von tomtomtom
16 30. November 2010 23:46

@15: Es gibt auch noch die Linux Foundation. 😉

linuxking

Avatar von linuxking
17 2. Dezember 2010 12:56

Schade ☹ , seit Staroffice habe ich alle Veränderungen und Versionen von OpenOffice genutzt. Besonders als freie Version war die Entwicklung rasant. Für mich als Nutzer erschließt sich diese Trennung in zwei Projekte nicht richtig. Teile und herrsche heißt das Prinzipien, damit wird MS wieder stärker und kann den Markt weiter für sich bestimmen.

LibreOffice hatte ich mir vor einigen Tagen testweise installiert. Besser war es eher nicht - und optisch auch nicht anders als das vorhandene Ooo.

Wenn eine der Officeversionen besser aufgeräumt wäre (Menüs) und die Hilfefunktion überwiegend vollständig sowie von uralten Überbleibseln früherer Versionen bereinigt und dann noch komplett in deutsch (auch der Internetauftritt, Add ons etc.), dann entscheide ich neu. Vorerst ist Ooo mein Lieblingsprogramm trotz kleinen Macken überhaupt. 😛

klang

18 3. Dezember 2010 19:22

Ja, auch schade, dass hier die Kräfte zersplittern. Aber die Übernahme von Sun ließ nichts Gutes ahnen. Wie der Vorredner: Abwarten...

@3: bloß keine Funktionsleisten, die versperren die Nutzfläche, das schöne an Menüs ist doch, dass sie nach der Benutzung wieder verschwinden!