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TechCrunch-Interview mit Linus Torvalds

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In einem Interview mit der amerikanischen Onlinezeitung TechCrunch spricht Linus Torvalds unter anderem über die Rolle von Distributionen, Apple-Notebooks und die Kernelentwicklung.

Linus Torvalds ist ein Multitalent: Zu seinen bekanntesten Schöpfungen gehören der nach ihm benannte Linux-Kernel und das Versionskontrollsystem Git. Für seine Leistungen wurde er am 19. April zu einem der Finalisten des diesjährigen Millennium Technology Prize ernannt. (Ergänzung 24. April: Linus hat den mit etwa 1 Millionen Euro dotierten Preis mittlerweile gewonnen!)

Aus diesem Anlass führte die amerikanische Onlinezeitung TechCrunch ein ausführliches E-Mail-Interview mit Torvalds 🇬🇧.

Über die Bedeutung von Distributionen

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Linus Torvalds 2002
(Foto: linux-mag.com, Lizenz: CC by-sa)

Linux-Distributionen „liebt“ Torvalds, da sie alle die Dinge erledigten, auf die er keine Lust habe, etwa sich um die Verbesserung der Nutzerfreundlichkeit, die Internationalisierung, eine schöne Verpackung und ähnliche Dinge zu kümmern. Distributionen waren für Torvalds daher sehr entscheidend daran beteiligt, Linux erfolgreich zu machen. Sie seien daher kein „notwendiges Übel“, sondern ein „notwendiges Gutes“. Dennoch frustriere es ihn, wenn sie – seiner Meinung nach – Rückschritte machten. Seine abfälligen Bemerkungen über openSUSE seien aus dem Zorn darüber entstanden, dass openSUSE beim Abfragen eines bestimmten Passwortes eine „sinnlose Nutzerfeindlichkeit“ an den Tag gelegt habe, die eigentlich schon längst überwunden sei. Zudem seien zwar einige Kernelentwickler kritisch gegenüber Ubuntu eingestellt – er selbst glaube aber, dass Ubuntu generell die richtige, da sehr nutzerzentrierte Herangehensweise habe.

Die fehlende Berücksichtigung von Nutzerinteressen habe ihn auch an GNOME 3 frustriert: dies habe einen zu stark minimalistischen Anspruch verfolgt. Dadurch seien selbst Dinge, die einmal einfach waren, plötzlich schwer geworden – was Torvalds „die Wände hochgehen“ lassen habe.

Sein Einfluss auf die Distributionen sei insgesamt aber weit weniger groß, als dies umgekehrt der Fall sei: Die Distributionen hätten vielmehr großen Einfluss auf den Kernel – und dies nicht nur durch die Beschäftigung von Entwicklern. Die Entscheidung über die Aufnahme bestimmter Kernelteile falle zudem auch sehr häufig, wenn ein Distributionsmanager über den betreffenden Code sage, dass man diesen bereits benutze, da er für bestimmte Funktionen notwendig sei.

Die Rücksichtnahme auf die Distributionen ist auch ein wichtiger Grund dafür, dass der Kernel in regelmäßigen Rhythmen veröffentlicht wird – und nicht dann, wenn bestimmte Funktionen implementiert wurden: durch die regelmäßigen Veröffentlichungstermine sei es für die Distributionen einfacher, vernünftig vorauszuplanen.

Über Hardware, insbesondere Apple und das Raspberry Pi

Torvalds nutzt einen MacBook Air als persönlichen Computer. Angesichts der Kritik, die Apple und sein geschlossenes Geschäftsmodell in FLOSS-Kreisen oft erfahren 🇬🇧, erstaunt dies. Torvalds ist zwar „kein Apple-Fan“ und glaubt auch, dass Apple „einige wirklich schlimme Dinge“ getan habe – mit dem MacBook Air habe die Firma aber etwas geschafft, was andere Notebook-Verkäufer selbst mehrere Jahre nach dessen Erscheinen noch nicht gelungen sei: ein Notebook zu schaffen, das nicht hässlich und klobig sei. Das sei auch Apple mit seinen sonstigen Notebooks nicht gelungen: Auch diese seien vielleicht gut aussehend – aber letztlich nur die altbekannte klotzige Hardware in schöner Verkleidung.

Den Grund für Apples Erfolg sieht Torvalds in der vergleichsweise überschaubaren Produktpalette, die es der Firma erlaubt habe, sich stärker auf einzelne Geräte zu konzentrieren. Apple habe das Konzept der dünnen und leichten Laptops zwar nicht erfunden – es aber sehr gut und mutig umgesetzt. In der „wilden, verrückten Welt“ von Firmen wie HP, Lenovo oder Toshiba geschähe so etwas nicht. Deren Problem sei, dass sie einerseits zu viele „langweilige Brot-und-Butter“-Produkte hätten – dies aber andererseits teilweise durch „verrückte“ Designermodelle zu überkompensieren versuchten.

Zu viele Gedanken über Laptops sind aber nach Torvalds Meinung ohnehin nicht angebracht: die Entwicklung von Laptops werde zusehends einfacher („isn’t going to be rocket science any more“) – und damit würden Laptops im Stile des MacBook Air zusehends Standard.

In eine ganz andere Richtung gehe der Raspberry Pi. Auch dieser verfolge ein revolutionäres Konzept – wenn sich dieses auch sehr vom Modell Apple unterscheide. Zwar sei der Raspberry Pi nicht besonders hübsch, es sei aber unglaublich, welche Leistung man für 35 Dollar erhalten könne – und was dies für die Zukunft verspreche.

Die wahre Magie des Raspberry Pi sieht Torvalds darin, dass einer seiner Käufer möglicherweise mit ihm etwas wirklich innovatives erfinde. Wirkliche Neuheiten erhofft sich Torvalds insbesondere davon, einen „wirklichen“ Computer in zufällige „Spielzeuge“ einzubauen oder als „eingebettetes System“ zu verwenden.

Über seinen Arbeitsstil und Vorbilder

Torvalds sieht sich eher als „technische Führungspersönlichkeit“. Das gelte auch für die Kernelentwicklung: Dort müsse er sich nicht um die Logistik und das Personal kümmern, sondern könne sich auf die technische Seiten konzentrieren – wenn auch die eigentliche Arbeit für ihn weniger in der Kernelprogammierung, sondern mehr im Zusammenführen des Codes bestehe. Generell habe er kein besonderes Sendungsbewusstsein, sondern betreibe Linux vielmehr, da es Spaß mache und interessant sei – und er den sozialen Aspekt der Linux-Entwicklung genieße.

Torvalds wäre wohl ein schlechter Supporter in einem Portal wie ubuntuusers: Müsste er sich mit täglichen Nutzerproblemen wie vergessenen Passwörtern oder misslungenen Backups herumschlagen, würde er, bemerkt er scherzhaft, sein Heil wohl „in Drogen und Alkohol suchen, um die Schmerzen zu lindern“.

In gewisser Weise ist für Linus der Weg das Ziel: Besonders genieße er den Prozess der Software-Enwicklung, des Verbesserns von Dingen. In gewisser Weise sei das Endresultat dabei bisweilen sogar egal: In vieler Hinsicht sei die Verbesserung der Art und Weise, wie Software geschrieben und verbessert werde, wichtiger als das eigentliche Verbessern der Software. Zwar sei es teilweise extrem schmerzlich, eingefahrene Wege der Softwareentwicklung zu verlassen – dies sei aber häufig mit dem größten Ertrag verbunden. So sei auch „Git“ entstanden.

Der Zweck rechtfertigt für ihn nicht die Mittel – das sei überhaupt das „dümmste Sprichwort in der Menschheitsgeschichte“. Vielmehr ist für ihn der Weg das Ziel. Technische Fehlentscheidungen betrachtet Torvalds daher auch nicht als besonders schwerwiegend, wenn sie zum Zeitpunkt der Entscheidung aus den richtigen Gründen getroffen wurden.

Die größte Sorge, die Torvalds in Bezug auf die Kernelentwicklung hat, ist die Größe und Komplexitität des Kernels: Dies mache es Neueinsteigern schwieriger, sich an der Entwicklung zu beteiligen, da erst eine vergleichsweise große Einstiegshürde überwunden werden müsse.

Torvalds selbst stützt sich bei der Kernelentwicklung – beispielsweise bei der Entscheidung darüber, welche Plattformen unterstützt werden sollen – auf ein Netz an Vertrauten, die sich über Jahre kennen gelernt haben: Ohne diese Art von Vertrauen seien große Projekte nicht machbar. Zudem erkenne man recht schnell, wer wirklich ein herausragendes Talent sei. So sei es ihm beispielweise mit Junio Hamano gegangen, der jetzt der Maintainer des Git-Projekts ist.

Ein wirkliches Vorbild sieht Torvalds im Biologen und Religionskritiker Richard Dawkins, da sich dieser offen gegen wirres Denken und anti-wissenschaftliches Gedankengut wende.


Veröffentlicht von kutteldaddeldu | 24. April 2012 08:25 | Kategorie: Linux und Open Source | # Fehler im Artikel melden

sincex386

Avatar von sincex386
1 24. April 2012 10:47

Schön zu lesen, toll zu hören das er einen Apple benutzt. 👍 Natürlich " die Konkurrenz belebt das Geschäft".

sogae

Avatar von sogae
2 24. April 2012 13:23

Großartig wiedergegeben, Kuttel Daddeldu. Vielen Dank!

Hat zufällig jemand einen Link zu Linus' Applekritik (unabhängig vom Mach-Kernel 😉 )?

Björn2L

3 24. April 2012 14:00

Vielen Dank fürs Übersetzen und Zusammenfassen ☺

Für seine Leistungen wurde er am 19. April zu einem der Finalisten des diesjährigen Millennium Technology Prize ernannt.

Ich bin mir nicht sicher, ob das heißen soll, dass er nur nominiert wurde, oder ob er ihn gewonnen hat. Gestern habe ich aber auch gelesen, dass er ihn gewonnen hat: http://www.golem.de/news/linux-erfinder-linus-torvalds-erhaelt-millennium-technology-prize-1204-91339.html

DocHifi

Avatar von DocHifi
4 24. April 2012 16:02

schöner Artikel, vielen Dank dafür.

Gruß DH

kutteldaddeldu

5 24. April 2012 17:17

@3: Danke für den Hinweis! Als ich den Ikhaya-Artikel geschrieben habe, hatte er ihn noch nicht – jetzt aber schon! ☺ Ich habe das im Artikel ergänzt!

@2: Ich weiß nicht, ob es noch detaillierte Ausführungen von ihm zum Thema gibt. Im Interview mit TechCrunch sagt er im Original:

I’m not an apple fan, because I think they’ve done some really bad things too, but I have to give them credit for not just having good designers, but the guts to go with it.

Developer92

Avatar von Developer92
6 24. April 2012 17:30

Wenn auf dem Apple-Laptop ein Linux-basiertes Betriebssystem installiert wäre würde ichs ja verstehen, sowas kann ich mir auch vorstellen. Aber nutzt er ernsthaft Mac OSX? Jedenfalls seh ich nirgends eine gegenteilige Aussage.

kutteldaddeldu

7 24. April 2012 17:39

@6: Nö, da bin ich mir recht sicher, dass dem nicht so ist. Er geht im Interview nur auf die Hardware ein – nutzt meines Wissens (ich glaube, das mal in einem Fernsehinterview gesehen zu haben) als Arbeits-Betriebssystem aber ausschließlich Linux.

In einem von mir nicht aufgenommenen Teil des Interviews erwähnt er allerdings noch seine drei Töchter – und bei diesen weist er explizit darauf hin, dass sie Linux nutzen.

Shisu

8 24. April 2012 17:40

Und was für Distributionen verwendet er nun?

Lasall

Ehemalige

Avatar von Lasall
9 24. April 2012 17:43

Schöner Artikel ☺ , danke!

kutteldaddeldu

10 24. April 2012 17:58

@8: Erwähnt er in dem Interview nicht. Ziemlich klar ist aber:

  • Früher hat er auf jeden Fall länger mal Fedora benutzt (gegen das er aber neulich auch mal einen Rant losgelassen hat) und wurde von Red Hat auch finanziell gefördert.

  • Die Gerüchte, er benutze Mint, sind ziemlich sicher falsch. (Sie beruhen auf einem Missverständnis, siehe den Kommentar von Marcel Gagne am 11.8.2011 unter dem verlinkten Artikel.)

Was auch ziemlich klar scheint: Aus dem GNOME-Hasser („Interface Nazis“) und KDE-Nutzer Linus wurde ein KDE-Verächter („Disaster“) und GNOME-Nutzer und schließlich wieder ein GNOME-Kritiker („Holy Mess“) und Xfce-Nutzer. (Das ist vielleicht der letzte Stand?)

Allzu dogmatisch in dem, was er nutzt, scheint er also nicht zu sein – meinungsstark allerdings durchaus.

Fuchstux

Avatar von Fuchstux
11 24. April 2012 18:44

Eigentlich hätte ich von ihm erwartet, dass er sich mehr aus dem Kampf und die Diskussionen über die "richtige" Distribution heraushält. Klar, er verrät nicht offen & klar welche er benutzt, aber er kritisiert manche ziemlich heftig. Das müsste nicht sein.

Ryuno-Ki

Avatar von Ryuno-Ki
12 24. April 2012 18:58

@8: Soll ich ihn fragen? ^^

Shisu

13 24. April 2012 19:16

@12 Wenn's möglich ist, gerne. 😛

Developer92

Avatar von Developer92
14 24. April 2012 19:47

@13: Möglich ja, die E-Mailadressen von ihm sind ja bekannt. Ob er antwortet dürfte wohl die andre Frage sein.

Küchenschabe

15 24. April 2012 20:01

Gefällt mir 😉

Sheriff_Carter

Avatar von Sheriff_Carter
16 24. April 2012 20:59

@8: OpenSUSE

Vielleicht aber auch nicht mehr.... https://plus.google.com/102150693225130002912/posts/1vyfmNCYpi5

michi001

17 24. April 2012 21:49

@16 glaube kaum, dass er sich mit opensuse und dem sogenannten Yast rumschlagen möchte, haha 😲

Ich denke, er ist eher ein Hardcore Terminal Fan, und da passt dieses komische Yast nicht wirklich rein.

Ja, Opensuse kann man auch nur mit Terminal bedienen, aber Yast spielt doch eine grosse Rolle.

Ich frage mich sowieso ernsthaft, ob es wirklich Leute gibt, die es mögen ☺ Wenn man so in Netz rum surft, mag man es kaum glauben 😀

Björn2L

18 24. April 2012 22:54

@5 hatte ich fast vermutet und wollte es mal anmerken ☺

@Distributionsdiskussion: Laut diesem Artikel benutzte er openSUSE auf seinem MBA und will wechseln bzw. hat schon gewechselt: http://www.golem.de/news/linus-torvalds-linux-erfinder-schimpft-ueber-zu-viel-sicherheit-in-opensuse-1202-90130.html

Sheriff_Carter

Avatar von Sheriff_Carter
19 24. April 2012 22:55

@17: was du glaubst dürfte wohl kaum Einfluß auf seine Betriebssystemwahl haben.

Developer92

Avatar von Developer92
20 24. April 2012 23:06

Terminalfan? Wie wärs mit Gentoo?! Kompiliert vermutlich eh die ganze Zeit neue Kernelversionen, da wär das doch optimal... 😈

Ryuno-Ki

Avatar von Ryuno-Ki
21 24. April 2012 23:31

@18: Denke nicht ... KDE wird er auch nicht verwenden, soweit ich das recherchieren konnte ... ich bleib dran.

@20: Ich habe ein Gentoo-Derivat in Benutzung und so oft wird da nichts kompiliert 😉 Okay, das bietet auch Programme in vorkompilierter Form (binär?) an, was das ganze Erlerne mit C-Flags umgeht, aber ...

Man sollte ja auch bedenken, dass anzunehmen ist, dass Linus' Nachwuchs auch mit den Distris umgehen können soll. Denke, da fällt Gentoo raus.

Vielleicht wäre ein erster Schritt, zu recherchieren, welche Linux-Distris neben OpenSuSE noch flüssig auf so einem MacBook Air laufen ...

sogae

Avatar von sogae
22 25. April 2012 13:52

Wenn ihr grad' am recherchieren seid, schaut doch mal welche Schlüpfermarke er trägt ... 😊 Spaß beiseite.

Bemerkenswert finde ich jedoch, dass Linus sich, soweit mir bekannt, (noch) nicht über Unity ausgelassen hat - er lässt ja sonst keine Gelegenheit aus, neue Entwicklungen zu kommentieren. Was man daraus allerdings schließen kann? Vermutlich doch recht wenig ...

L.A.S.

23 25. April 2012 19:05

Golem 28.2.2012: Linus Thorwalds - vfat-Patent steht auf der Kippe

Der Bericht lässt so Einiges in einem anderen, interessanten Licht erscheinen, da vfat für UEFI/EFI aus dem Schlaf der Untoten erweckt wurde. Rechtevergabe mit FAT32 ?, das ist sicherlich noch nicht der Weisheit letzter Schluss.

Es ist mMn eine nette Ergänzung im Zshg. mit der Preisvergabe.

So besehen läutet der Versionssprung auf Kernelversion 3.0 tatsächlich eine neue Ära ein... Aber, ehrlich.

DPITTI

Avatar von DPITTI
24 26. April 2012 01:45

Hackintosh 😈 Sehr schönes Betreibsystem aber Ubuntu 12,4 wird auch Super die Beta ist Top sogar Unity gefällt mir Langsam