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Dem Quetzal unter die Federn geschaut: Ein Blick auf den Kernel

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Gestern wurde die neue Version von Ubuntu veröffentlicht. Quantal Quetzal hat wieder einiges an Neuerungen an Bord, die sich den Anwender nicht nur am bunten Federkleid zeigen. Und so lohnt sich auch diesmal wieder der Blick auf die inneren Werte des bunten Vogels.

Wurde der Vorgänger, Precise Pangolin, noch mit dem Longtime-Kernel Linux 3.2 ausgestattet, so macht Quantal Quetzal einen Sprung über drei Versionen hinweg hin zu Linux 3.5. Entsprechend sind für den Quantal-Kernel auch einige Neuerungen zu verzeichnen, die dem Anwender diesmal jedoch überwiegend verborgen bleiben.

EFI boot support

Eine der auf den ersten Blick nicht anwenderrelevanten Neuerungen ist, dass bzImages - spezielle, komprimierte Kernel-Abbilder für den Startvorgang – nun direkt von dem als BIOS-Nachfolger konzipierten EFI gestartet werden können. Somit wären zukünftige Linux-Versionen auch ohne Bootloader denkbar. Allerdings ist diese Änderung nicht in Verbindung mit der aktuellen Diskussion um Secure Boot zu sehen, das letztlich nur eine Funktion von EFI darstellt.

Neue X32 ABI: 64-bit mode mit 32-bit pointers

Eine derzeit noch nicht genutzte Funktion dürfte die neue X32 ABI sein. Hier handelt es sich um eine Schnittstelle für Programme, die dann auf 64-Bit-Systemen in einem 32-Bit-Kontext laufen. Anwendungen, die dies nutzen sollen, müssen für die Verwendung von X32 kompiliert werden, können dann jedoch erheblich schneller sein als die mit den bisherigen Schnittstellen i386 und x86_64.

x86 CPU Treiber autoprobing

Das Gerätetreiber als Module im Bedarfsfall geladen werden können, ist bereits ein alter Hut. Dieses Prinzip, Autoprobing genannt, wird nun auch auf Prozessorerweiterungen angewandt. Somit werden spezifische Treiber einfach nicht geladen, wenn die zugehörige Erweiterung nicht vorhanden ist und aufwändige Tests und Hacks innerhalb eines Treibers können unterbleiben.

Bufferbloat

Schon seit einiger Zeit ein größeres Thema ist der Bufferbloat. Dabei handelt es sich um einen Effekt, der durch die mittlerweile umfangreichen „Optimierungen“ der Datenübertragung in Netzwerken entsteht. Das Zwischenspeichern von Netzwerkpaketen auf Rechnern, Servern und Netzwerkhardware sorgt zwar dafür, dass deren Kapazitäten möglichst effizient genutzt werden. Ein Problem daran ist, dass an der Übertragung beteiligte Geräte jeweils eigene Puffer unterhalten, die zusammen dann wie eine große Speicherblase wirken, in der übertragene Daten unterschiedlich lange auf ihre weitere Bearbeitung warten müssen. Das Ergebnis sind dann hohe Latenzen, also Verzögerungen, und Durchsatzprobleme.

Um diese Effekte zu minimieren, wurden nun zwei Methoden eingeführt. Zum einen wurde eine Möglichkeit geschaffen die Größe der Warteschlange für zu sendende Pakete zu begrenzen (Byte queue limits). Eine weitere Methode ist CoDel (Controlled Delay, zu deutsch: gesteuerte Verzögerung), welche die Größe eben jener Warteschlange in Abhängigkeit des derzeitigen Netzwerkdurchsatzes anpasst. Das Ergebnis sollen schnellere Reaktionen der Client-Server-Kommunikation sein und dürften sich insbesondere im Hinblick auf Webanwendungen in Verbindung mit komplexen Webserver-Farmen bemerkbar machen.

Anpassungen und Fazit

Es gibt auch einige spezielle Anpassungen des Kernels an die Ubuntu-Belange. Die sollen an dieser Stelle jedoch nicht ausführlich behandelt werden. Wer sich dafür interessiert, kann dies in den Release Notes unter dem Punkt Kernel 3.5.5 nachlesen.

Alles in allem hört sich dies nicht nach den Killerfunktionen aus Sicht eines Anwenders an. Dennoch tragen auch diese – und viele weitere Änderungen – zur Verbesserung von Leistung und Zuverlässigkeit bei.


Quellen:

Veröffentlicht von mfm | 19. Oktober 2012 09:15 | Kategorie: Rund um Ubuntu | # Fehler im Artikel melden

noisefloor

Ehemaliger

Avatar von noisefloor
1 19. Oktober 2012 20:50

Wie alle 6 Monate ein schöner und informativer Artikel. Thx ☺

axt

2 19. Oktober 2012 21:16

Über Feed beginnt der Artikel noch mit "Morgen wird die nächste Version (...).".

Seid ehrlich, der ist am 17. geschrieben, aber dann vergessen worden! 😀

L.A.S.

3 19. Oktober 2012 23:30

@2: Hab' mich auch gewundert, weil mfm, der Artikelverfasser, bei der Ubucon 2012 mitmacht. Vermutlich hat er das vorbereitet. ☺ Erwischt. Aktualisiere doch mal Deinen RSS-Feed. Es wurde frühzeitig als Artikelfehler gemeldet. Dafür jibbet das "Glöckchen" am Artikelende. Aber prinzipiell hast Du Recht, es müsste sowas wie Redaktionsschluss geben, damit es nicht mehr so auffällt. Ich kenne wenige die sowas aus dem Stehgreif schreiben könnten. Im beruflichen Umfeld ist so eine "Endkontrolle" ja üblich, da wird immernochmal quer- und gegengelesen. Auch im sportlichen Sinne.

Zurück zum Thema: auf Heise.de im Kernellog kann man noch mehr zum 3.5er Kernel erfahren 🇩🇪. Für mich ist es das 1.Mal, das ich den Nouveau-Treiber einsetze und nicht enttäuscht bin (GeForce 6200). Sicherheitsaktualisierungen lassen sich "eigentlich" seit einer Änderung im 3.4er Kernel wesentlich leichter zurückportieren. Wenn, ja, wenn da nicht der starre SRU-Ablauf in Ubuntu wäre. Etwas schade, dass es der 3.6er nicht zum Quetzal geschafft hat. Läuft als Mainline-Kernel hier auch in 12.04 ... Gruss + Dank nach Berlin an mfm

Nachtrag: Alles jetzt+hier meine private Meinung, bitte keinen Team-Zusammenhang vermuten.

Ryuno-Ki

Avatar von Ryuno-Ki
4 19. Oktober 2012 23:41

ABI? Habe bisher nur API kennen gelernt. Ein Blick auf Wikipedia führt mich aber auf die Vermutung, dass Binärschnittstellen gemeint sein dürften.

Würde mehr über die X32 ABI erfahren, da ich ein x86_64 verwende. Gibt es da deutschsprachige Quelle, mfm? In jedem Falle: Kannst du Seiten empfehlen?

Danke für den Kernelrückblick!

Mikey

5 20. Oktober 2012 09:51

@L.A.S.

Ich kann die Situation mit dem Nouveau-Treiber nicht bestätigen. Zwar ist der Bildaufbau schick *in-Sync* und der Desktop scheint zunächst schön flüssig, aber der/die/das Dash taucht plötzlich oft nur verzögert auf ... oder garnicht ... oder zaubert heftigst Grafik-Fehler auf den Screen, und ist ab dann nur noch selten zu irgendwas Sinnvollem zu bewegen, ...wozu auch "es wieder schließen" gehört. 😉

DualScreen-Betrieb läßt sich nun relativ leicht über Systemeinstellungen/Anzeigegeräte aktivieren. Leider bewegen sich Fenster auf der Grenze zum nächsten Screen nun deutlich schwerfälliger. Is mir aber eigentlich auch egal, weil der/die/das Dash nun absolut nicht mehr funkt (es passiert irgendwas, dann passiert nix ... Grafikfehler ... Crash!!!). Da hilft nur noch ein Reset. 😉

Neu ist nun auch, dass man proprietäre Treiber nun über Systemeinstellungen/Software-Packetquellen/Zusätzliche-Treiber nachträglich installieren und aktivieren kann. Nach dem Neustart des Systems steht Unity allerdings leider nicht mehr zur Verfügung. Keine Fenster-Rahmen, keine Menü/Status-Leiste oben, kein Starter ... nix. So auf Anhieb kann man die dort aktivierbaren NVIDIA-Treiber jedenfalls nicht verwenden. Sackgasse!

Alles in Allem - so für den Einstieg in die neue Version - eine Einbahnstrassen-Hölle! Die letzte LTS war dies bzgl bei sowas Wichtigem, bisher der Anwender-freundlichste ubuntu-Release überhaupt, denn endlich funktionierte der Dual-Screen-Betrieb fast auf Anhieb, ohne das System vorher in den Würgegriff nehmen zu müssen. Jetzt werde ich wieder auf undankbare Frickelei verwiesen. Ich kann nicht nachvollziehen, wie man eine Tür öffnen und hinter sich sogleich zuschlagen kann, hinter der sich Unausgegorenes aufgetan hat.

Peace!

DPITTI

Avatar von DPITTI
6 20. Oktober 2012 16:34

Habe schon gemerkt das jetz Kernel Abbilder im Grub standen. Aber wie immer läuft die Version mit der 10 besser als die Lts. Danke für den Beitrag so hat man ein Ersten Einblick ins System. Habe den neuen Kernel 3,5 auch auf Mint 13 am Start.

norbit

Avatar von norbit
7 21. Oktober 2012 11:01

Die Intel Treiber für die 3000 und 4000 IGP´s wurden anscheinden überarbeitet.

Bei mir läuft Kubuntu da wollte ich mit den 3.5 Kernel die IGP mal wieder ausprobieren. Ich bin begeisterst läuft sauber und stabiel, kein Ruckeln und bis jetzt noch kein Absturz. Da lief es bei der 12.04 doch noch holbriger und ich musste auf ne zusätzliche Graka ausweichen.

Was mich auch wundert das Wine Spiele mit ObenGL laufen, normal liefen die mit dem freien Treiber nicht.

Für Intel Sandy oper Ivy-Bridge Besitzer lohnt sich ein Update.

mfm

Avatar von mfm
8 21. Oktober 2012 14:50

@4: Wenn Du Dir alle verfügbaren Information ansehen willst und mit etwas suchen kein Problem hast, wäre die Seite vom X32-ABI-Projekt eine Anlaufstelle: https://sites.google.com/site/x32abi/ 🇬🇧 - Ansonsten hat Linux Weekly News eine Zusammenfassung 🇬🇧 anzubieten. Deutschsprachige Quellen kann ich leider nicht liefern.

@3: Ich bin in Berlin? Huch... *kopfkratz*