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[Artikelwettbewerb] Freifunk - Denn freie Netze nutzen uns allen

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Freie Netze werden von engagierten Menschen in Eigenregie aufgebaut und gewartet. Diese Menschen stellen ihre WLAN-Router für den Datenverkehr anderer Menschen zur Verfügung. So entsteht eine freie und unabhängige Infrastruktur. Doch was ist unter frei und unabhängig zu verstehen? Und wie funktionieren diese Netze?

Award:

Dieser Artikel belegte den 2. Platz des zweiten Artikelwettbewerbs für Ikhaya. Die Auszeichnung wurde an Tronde überreicht.

So funktionieren Freifunk-Netze

Freifunk benutzt Meshing, um selbst-organisierte Infrastrukturen aufzubauen. Dabei besorgt sich jeder Teilnehmer einen Freifunk-kompatiblen Router, flasht die Firmware der Community in seiner Nähe auf das Gerät und verbindet ihn mit dem Stromnetz. Und schon verbindet sich der Router mit den umliegenden Zellen und ist Teil des Freifunk-Netzes.

Wer möchte, kann auch noch seinen Internetanschluss mit der Community teilen, in dem man seinen Freifunk-Router mit dem DSL-Modem/Router daheim verbindet. Damit kann man einen Teil seiner Internetbandbreite dem Freifunknetz zur Verfügung stellen. Um dabei vor der unsinnigen Störerhaftung geschützt zu sein, bündeln Freifunk-Router den Internetverkehr und routen ihn über eigene Gateways ins Internet. Die Freifunker gehen damit nicht direkt über den bereitgestellten DSL-Anschluss ins Internet, sondern verbinden sich über diesen nur zu einem Gateway, wo sie dann erst den Zugriff auf Internetdienste erhalten.

Was bedeutet es, wenn ein Netz nicht frei ist?

Häufig stellen sich Menschen die Frage, was die Vorteile eines freien Netzes sind. Diese Frage lässt den Schluss zu, dass sich viele Menschen häufig gar nicht der Nachteile bewusst sind, die unfreie Netze mit sich bringen. Diese Nachteile sollen hier anhand einiger Beispiele verdeutlicht werden.

Das Internet

Das Internet ist weder frei noch unabhängig. Unabhängig ist es schon allein deshalb nicht, da alle auf die Angebote einiger weniger Internet Service Provider angewiesen sind, die den Zugang zu diesem Netz gewähren, wenn man im Gegenzug dafür jeden Monat einige Münzen bei ihnen einwirft. Und mit der Freiheit ist das auch so eine Sache.

Einige mögen sich sicher daran erinnern, als sich ein großer deutscher Internet Service Provider den Spitznamen „Drosselkom“ eingehandelt hat. Das Unternehmen Telekom kam zu diesem Spitznamen, nachdem es bekannt gab, die Bandbreite an den DSL-Anschlüssen drosseln zu wollen, nachdem der Kunde/Nutzer ein gewisses Datenvolumen im Monat überschritten hat. Wer auch nach Verbrauch des vorgegebenen Datenvolumens einen schnellen DSL-Anschluss benutzen wollte, sollte eine Extragebühr zahlen, um die Drosselung entfernen zu lassen. Lediglich der hauseigene Video-on-Demand-Dienst sollte von der Drosselung verschont bleiben. Verständlich, schließlich zahlen die Kunden/Nutzer für diesen ja bereits extra.

Hier bestimmt der Internet Service Provider, wie lange man schnelles Internet an seinem Anschluss nutzen darf, bevor er die Geschwindigkeit drosselt oder um den Einwurf weiterer Münzen für ein schnelles Netz bittet. Darüber hinaus bestimmt er auch, welche Dienste man in schneller Geschwindigkeit nutzen darf. Während die Geschwindigkeit für Dienste wie E-Mail, Online-Banking, Chat und Youtube gedrosselt werden, laufen die Streams des eigenen Unternehmens mit ungebremster Geschwindigkeit. Möchten andere Unternehmen, dass auch ihre Dienste ungebremst durch das Netz des Internet Service Providers transportiert werden, bittet der Provider sie dafür ebenfalls zur Kasse.

Dieses Geschäftsmodell passt sicher gut in jede Gewinnmaximierungsstrategie. Mit Freiheit hat es allerdings nichts zu tun. Nicht die Nutzer, sondern die Internet Service Provider bestimmen, was man wann, wie lange und wie schnell nutzen darf.

Zurecht erntete die Telekom für ihre Pläne Hohn und Spott. In der Folge kam sogar eine Debatte über die Netzneutralität ins Rollen, welche mittlerweile jedoch im Sande zu verlaufen droht.

Dennoch haben etliche andere Internet Service Provider im Schatten des magentafarbenen Riesen ihre Verträge und Nutzungsbedingungen angepasst. So existieren heute etliche Verträge, die eine Geschwindigkeitsdrossel nach Verbrauch eines bestimmten Datenvolumens innerhalb eines bestimmten Zeitraums beinhalten.

Freiheit des Netzes im Sinne von Freifunk bedeutet, dass jeder das Netz mit der bestmöglichen zur Verfügung stehenden Bandbreite nutzen kann. Dieses Prinzip wird auch Best Effort genannt. Niemand wird gedrosselt, Inhalte werden weder diskriminiert, noch bevorzugt durch das Netz transportiert. Alle Daten werden so schnell durch das Netz transportiert, wie es eben technisch möglich ist.

So kann jeder beliebige Dienste wie z.B. Chat, E-Mail, Telefonie, Webserver usw. in Freifunk-Netzen betreiben und sich sicher sein, dass seine Daten so schnell wie möglich ausgeliefert werden. Niemand wird von ihm Geld verlangen, damit seine Dienste im Netz erreichbar sind.

Mobile Daten und WLAN-Zugang

Mobile Datendienste auf dem Smartphone ermöglichen die Nutzung von E-Mail, Facebook, Twitter, Navigation, usw. unabhängig von einem WLAN-Accesspoint. Das Smartphone muss lediglich im Mobilfunknetz des Netzbetreibers eingebucht sein. Je nach Tarif stehen 100 bis 1000 MB monatlich zur mobilen Nutzung zur Verfügung. Wird das im Tarif vereinbarte Datenvolumen überschritten, wird die Geschwindigkeit drastisch gedrosselt. Damit unterliegt die mobile Datennutzung den gleichen Nachteilen wie weiter oben beschrieben. Der Netzbetreiber bestimmt, wie viel bzw. wie lange man schnelles Internet hat.

Beim WLAN Zugang sieht es oft nicht viel besser aus. Zwar gibt es einige Anbieter, die WLAN an öffentlichen Plätzen bereitstellen, doch sind diese selten frei. Meist

  • benötigt man zur Nutzung einen Mobilfunkvertrag bei einem bestimmten Netzbetreiber,

  • muss man sich erst bei einem Anbieter unter Angabe seiner persönlichen Daten registrieren,

  • muss man für die Nutzung Gebühren zahlen oder

  • alles zusammen ist der Fall.

Es müssen nicht nur die Bedingungen des jeweiligen Anbieters akzeptiert werden, es müssen auch die Einschränkungen hingenommen werden. So sind nicht selten bestimmte Dienste gesperrt und gar nicht nutzbar. Hinzu kommt, dass der WLAN-Zugang meist lokal auf ein Schnellrestaurant oder ein Hotel beschränkt ist.

Reist man ins Ausland, so steigen die Kosten für mobiles Internet meist noch einmal an. So kostet z.B. ein Daypass in Ländergruppe 1 2,90 Euro inkl. 50 MB Datenvolumen und ist 24 Stunden lang gültig oder eben so lang, bis die 50 MB verbraucht sind. Das WLAN im Hotel kostet mancherorts 15 Euro für eine Woche. Dafür darf man aber auch nur ein Gerät gleichzeitig mit dem Netz verbinden und etliche Dienste wie z.B. VPN sind gesperrt.

Freifunk steht jedem kostenlos und unbeschränkt zur Verfügung. In vielen Städten Deutschlands ist es nicht mehr weit, bis man sich durch die Innenstadt bewegen kann, ohne dass der WLAN-Empfang abreißt.

Die Vision: Freie Netze überall!

Freifunk hat eine Vision. Diese basiert im wesentlichen auf fünf Prinzipien:

  1. Der Zugang zu Informationen und Wissen sollte frei sein.

  2. Niemand sollte die Kommunikation anderer beschränken.

  3. Lokale und globale (W)LANs sollten öffentliche Plätze sein, genauso wie Straßen, Parks, Wälder oder das Meer.

  4. Netzwerke und digitale Infrastrukturen müssen auf FLOSS und offenen Standards basieren.

  5. Regulierungsbehörden und Gesetzgeber sollten freie Frequenzen für die öffentliche Nutzung bereitstellen.

Freifunk-Netze sind dezentral organisiert. Jeder, der einen Freifunk-Router betreibt, wird damit ein Teil des Netzes. Fällt ein Knoten aus, kann dies durch die umliegenden Knoten kompensiert werden. Je mehr Menschen sich bei Freifunk beteiligen, desto leichter können Lücken in der Versorgung geschlossen werden. Damit ist es nicht möglich, dass Freifunk von einem großen Unternehmen aufgekauft und geschlossen wird, da es nicht in dessen Geschäftsmodell passt. Denn Freifunk, das sind die lokalen Communities und jeder, der sich bei Freifunk beteiligt.


Vielen Dank an Tronde für den eingereichten Artikel.

Veröffentlicht von Keba | 11. Oktober 2014 19:10 | Kategorie: Projektvorstellung | # Fehler im Artikel melden

putzerstammer

Avatar von putzerstammer
1 11. Oktober 2014 19:54

Danke für denn Bericht 👍 Gedanken habe ich mir so noch nicht gemacht, das mit den freien Netze nutzen uns allen 😳

Dee

Avatar von Dee
2 12. Oktober 2014 09:47

Dabei muss man aber dennoch aufpassen. Bei der Bereitstellung eines offenen WLANs kann man gemäß LG München ggf. als Störer zur Haftung geltend gemacht werden.

Kätzchen

Avatar von Kätzchen
3 12. Oktober 2014 14:35

Interessante Sache. Danke für den Artikel.

TheBearization

4 12. Oktober 2014 16:32

Grundsätzlich ist die Idee gut, aber überall W-Lan und Mobilfunkmasten machen krank. Überall Elektrosmog und keiner kennt die Auswirkungen auf die Gesundheit.

redknight

Moderator & Supporter

Avatar von redknight
5 12. Oktober 2014 16:38

Stimmt, es ist natürlich wesentlich gesünder, wenn es überall WLAN gibt, ich es aber nicht nutzen kann.

Papamatti

6 12. Oktober 2014 17:28

@4: Naja, aber was willst Du jetzt machen? Mobilfunk ist doch so oder so vorhanden und in meiner Nachbarschaft sind etwa 10 WLAN Netzwerke in Reichweite. Naja und Dein Rechner strahlt ja auch noch. Und dann noch die Bösen Satelliten und die Bluetooth Kopfhörer und und und....

Ich fürchte es gibt da kein Entkommen 😛

Heizung

Avatar von Heizung
7 12. Oktober 2014 17:33

@4 Das ist eine relativ umstrittene Sache. es ist zwar tatsächlich so das das Thema Elektrosmog z.B. in dem Buch Gifte im Alltag von Max Daudner, ein Toxikologe aus München, auftaucht jedoch rät er erst alles andere, das kann sehr viel sein, außzuschließen bevor man irgendwelche Symptome auf Elektrosmog schiebt.

Psychologisch sieht es so aus das man wenn man zu etwas kein Bezug wird es meistens als gefährlicher wahrgenommen als es ist. Auch ist sehr wichtig ob wir selber Einfluss nehemn können oder nicht.

Hefeweiz3n

Moderator, Webteam

Avatar von Hefeweiz3n
8 12. Oktober 2014 18:05

@4: Mit kommt da immer die lustige alte Geschichte von dem Telekom-UMTS Mast in den Sinn, wo sich die Leute beschwert haben das sie, seit das Ding steht, nicht mehr vernünftig schlafen können etc. pp. wegen dem ganzen Elektrosmog. Kommentar der Telekom: Wie schlimm soll das dann erst werden wenn wir das Ding auch tatsächlich einschalten….

Pyfisch

Ehemalige

9 12. Oktober 2014 18:29

@8: Jetzt weiß ich auch warum die Telekom und andere Zugänge drosseln, um uns vor dem Elektrosmog zu schützen. 😈

Honeybear

10 12. Oktober 2014 21:08

@2: Keine Sorger, zur Vermeidung von Störerhaftung werden VPNs eingesetzt - falls also jemand z.B. über deinen Freifunkknoten urheberrechtlich geschütztes Material runterlädt oder Spam versendet, wirst du nicht belangt.

clocker

Avatar von clocker
11 12. Oktober 2014 21:16

@8: 👍

Developer92

Avatar von Developer92
12 13. Oktober 2014 02:49

@2: Ich dachte eigentlich, dass hier ein ähnliches Prinzip wie bei Tor-Knoten gelten würde: Man agiert - mehr oder weniger - als ISP und kann daher nur schlecht belangt werden. Zumal ein Freifunkknoten soweit ich das verstanden habe sowieso ein VPN aufbaut.

Btw: @Tronde: Danke für den interessanten Artikel.

Dee

Avatar von Dee
13 13. Oktober 2014 07:23

@12: Das LG München sagt eben, dass man nicht als ISP agiert, weil es eine unentgeltliche Leistung ist, und man daher auch nicht unter den Schutz des Telemediengesetz fällt. Ob das Urteil, was ja auch noch nicht endgültig ist und dem EuGH vorliegt, real Auswirkungen hat, wird sich zeigen.

Developer92

Avatar von Developer92
14 13. Oktober 2014 15:10

@13: Das Tor-Netzwerk ist auch eine unentgeltliche Leistung. Irgendwie erscheint mir das alles unlogisch, als wollte man eine freie Dienstleistung absichtlich benachteiligen.

hundefleischer

Avatar von hundefleischer
15 14. Oktober 2014 13:53

@13: Ganz richtig gibt es eben noch keine endgültige Entscheidung zu dem Thema Störerhaftung. Zunächst ist der private Betreiber, der sich einen Freifunk Router hinstellt aber auf der sicheren Seite, da sämtliche rechtlichen Probleme durch das VPN Routing an den (pseudo) ISP übergeben werden.

Zum aktuellen Status des VPN Routings in Berlin: "Der Verein ist vom Status her Access-Provider und es war Konsens, dass wir diesen Status nutzen wollen um die Störerhaftungs-Problematik für alle diejenigen zu entschärfen, die Internet auf ihren Freifunk-Routern anbieten wollen."Quelle: http://wiki.freifunk.net/Vpn03

Die Frage wer als Provider auftreten kann und welche Interessen er vertreten muss um von der Störerhaftung ausgeschlossen zu sein, muss vor Gericht geklärt werden. Fakt ist aber zum gegenwärtigen Zeitpunkt, dass der private Freifunk Router durch einen VPN Tunnel ohne rechtliche Probleme betrieben werden kann, da der Provider (hier, VPN Anbieter) alle Haftung übernimmt.

@14: Leider sind Recht und Logik zwei unterschiedliche Dinge.