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Nicht das Letzte vom Einhorn: Ein Blick auf den Kernel

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Sechs Monate sind seit Beginn der Entwicklung von Ubuntu 14.10 vergangen, nun darf das Utopische Einhorn endlich den Aufzuchtstall verlassen. Außer seinem Namen hat das Einhorn auch einige fabelhafte Eigenschaften aufzuweisen, auch wenn einige davon nicht auf den ersten Blick sichtbar sind.

Das treue Zicklein trat im April mit Linux 3.13 an, um die nächsten fünf Jahre zuverlässig seinen Nutzern zur Seite zu stehen. Doch, obwohl um ein Horn leichter, braucht sich das Utopic Unicorn nicht zu grämen, denn der Sprung über drei Kernel-Versionen hinweg bringt auch einige interessante Neuerungen mit sich.

Schneller wach

Eine schnelle Verfügbarkeit nach dem Wiedereinschalten des Systems sieht jeder Nutzer gerne. Das heißt, dass der Aufwachvorgang möglichst flott erfolgen muss und alles, was dies ausbremst, einfach übergangen wird. So wie dies nun mit langsam andrehenden Festplatten geschieht.

Bislang wartete der entsprechende Treiber nach dem ersten Ansprechen, bis die Hardware sich mit einem „ok“ zurückmeldete, bevor er Kommandos des Systems entgegen nahm und blockierte solange den weiteren Startvorgang. Eine Änderung in Linux 3.15 führt nun dazu, dass der Startvorgang weiterlaufen kann und Befehle für den Datenträger gepuffert werden, bis sie bereit ist. In Tests 🇬🇧 konnten so mehrere Sekunden eingespart werden.

Schneller schreiben

Auch das gerne genutzte „Dateisystem“ FUSE, das die Einbindung von Dateisystemen oder Datenträgern direkt durch den Benutzer erlaubt, unterstützt nun Zwischenspeicherung bei Schreibvorgängen. Hierbei werden die Daten, die nicht sofort auf das jeweilige Ziel geschrieben werden können, durch FUSE gepuffert und der Schreibvorgang später beendet. Die Anwendung des Benutzers erhält jedoch gleich die Rückmeldung „gespeichtert“ und der Anwender kann weiterarbeiten.

Dies dürfte sich insbesondere bei über das Netzwerk eingehängten „Laufwerken” mittels SMB, FTP oder SSH angenehm auswirken. Letztlich bedeutet dies aber auch, dass ein Systemfehler zwischen dem Zeitpunkt des Abspeichern durch die Anwendung und dem Schreiben durch FUSE zum Datenverlust führen kann, wie dies bereits bei Einführung von ext4 auftrat, das eine ähnliche Technik zum Beschleunigen der Schreibzugriffe nutzt.

Schneller Platz schaffen

zram ist ein Block-Speichergerät, in dem Daten abgelegt werden können. Diese landen dann komprimiert in einem von zram besetzten Bereich des Arbeitsspeicher. Interessant wird dies, wenn ein zram als Swap verwendet wird. Hierbei werden dann Speicherseiten, die das System auslagern möchte, um Arbeitsspeicher frei zu bekommen, wieder komprimiert in eben einem anderen Bereich des gleichen Arbeitsspeichern abgelegt und dadurch doch wieder etwas Speicherplatz eingespart.

Da Zugriffe auf den RAM immer noch schneller erfolgen können als auf Massenspeichermedien, hat dies durchaus einen Sinn, um ausgelagerte Daten gegebenenfalls schnell wieder zurück zu bekommen. zram wird bereits von verschiedenen Systemen genutzt, darunter Chrome OS, Android 4.4 (für Geräte mit wenig Arbeitsspeicher) und auch Lubuntu. Der Standard-Linux-Kernel unterstützt für zram die Kompressionsmethoden LZO und LZ4, die zwar keine so gute Kompression erzielen wie andere Algorithmen, dafür jedoch sehr schnell arbeiten.

Schneller Malen

Auf der Grafik-Seite bietet der freie NVIDIA-Treiber nouveau nun die Möglichkeit, die Frequenz des Grafikprozessors auf andere als die im BIOS definierten einzustellen, wodurch sich die Leistung der Hardware steigern lässt.

Während dies derzeit noch als experimentelle Funktion betrachtet wird und eher für fortgeschrittene Nutzer gedacht ist, könnte die Unterstützung für die GK20A-Chips Anwendern zugute kommen, die Ubuntu zum Beispiel auf Acer Chromebooks nutzen möchten. Allerdings ist diese Unterstützung auf das Notwendigste beschränkt und beinhaltet keine Grafik-Beschleunigung.

Schneller sicher

Ein neues Sicherheitsfeature ist auch mit an Bord. Die Speicheradressen, an denen das Abbild des Linux-Kernel entpackt wird, werden künftig zufällig ausgewählt. Dadurch sollen Angriffe erschwert werden, bei denen auf feste Speicherstellen zugegriffen wird, um dort liegende Bestandteile des Kernels zu nutzen, mit deren Hilfe die eigenen Rechte erweitert werden können oder Code mit höheren Rechten ausgeführt werden kann.

Diese Neuerungen stellen letztlich nur einen kleinen Teil dessen dar, was Utopic Unicorn ausmacht. Doch letztlich basiert Ubuntu 14.10 auf diesen und vielen weiteren Funktionen, die das junge Fabeltier auch mit anderen Linux-Distributionen teilt.

Quellen

Veröffentlicht von mfm | 23. Oktober 2014 09:00 | Kategorie: Rund um Ubuntu | # Fehler im Artikel melden

haeckle

Avatar von haeckle
1 23. Oktober 2014 15:50

Vielen Dank für die gute Zusammenfassung 👍

disabled42

2 23. Oktober 2014 15:51

Zeitlich wäre auch Kernel 3.17 möglich gewesen. Das hat man bei Canonical verpaßt.

LuPi

Avatar von LuPi
3 23. Oktober 2014 16:28

@2: Joa, 3.17 erschien am 5.10., Kernelfreeze war am 9.10., das hätte man in den 3-4 Tagen noch schaffen können, wenn dann da aber was querhaut, zerschießt's die ganze Planung, von daher, denke ich, sind die da mal auf Nummer Sicher gegangen.

DPITTI

Avatar von DPITTI
4 23. Oktober 2014 16:38

Habe Ubuntu Mate installiert. Diese Version hat den Kernel 3.16.0-23

DPITTI

Avatar von DPITTI
5 23. Oktober 2014 16:40

Achso und Danke für den Artikel ☺ Zu Schnell geklickt sollte im 1 Post rein.

disabled42

6 23. Oktober 2014 17:03

Tja, Canonical scheint immer den aktuellsten Kernel zu verpassen. Der wird natürlich von den Usern trotzdem ins System gebastelt, während man in anderen Distris elegant installiert. Und zwar schon lange. Unverständlich, bei dem Know-how hinter Ubuntu!

DPITTI

Avatar von DPITTI
7 23. Oktober 2014 18:35

Kann daa sein das Canonical mit Microsoft zusammen Arbeitet?Hatte in Win 8 zu viel Linux.Ähnlichkeiten festgestellt ☺

Gipfelkletterer

8 23. Oktober 2014 19:21

Ubuntu ist bei distrowatch neu als download gelisten.

fb

Avatar von fb
9 23. Oktober 2014 20:41

Herzlichen Dank für die gut lesbare Zusammenfassung schwieriger Inhalte. Super!

Das_Auge

Avatar von Das_Auge
10 24. Oktober 2014 13:14

Eines ist mir hier unklar: Was ist mit den 5 Jahren gemeint, die am Beginn des Artikels genannt sind? Hat der Kernel Langzeitsupport? Denn 14.10 wird doch nur 18 Monate unterstützt, oder? Ist das ein Fehler?

Priester

11 24. Oktober 2014 14:22

@10: "Das treue Zicklein trat mit Linux 3.13 an, um die nächsten fünf Jahre zuverlässig seinen Nutzern zur Seite zu stehen."

Der Satz bezieht sich auf Ubuntu 14.04 (Trusty).

chris34

Ikhaya- und Webteam

12 24. Oktober 2014 17:14

@10: @11 hat ja schon die Antwort auf deine Frage. Ich hab wg. der Rechtschreibfehlermeldung mal versucht es zu verdeutlichen. Deswegen gibt es jetzt einen Link auf die Trusty-Tahr-Wiki-Seite und ein Zeitangabe mit „im April“. Hoffe das ist deutlicher. 😉

ingo2

Avatar von ingo2
13 24. Oktober 2014 18:26

@12: Aber auch der Kernel 3.16 erhält "länger(en) Support" - weiß da Jemand genaueres:

Auf der "Debian Kernel Mailing List" gab es am 30.07. folgende Info von Ben Hutchings:

Titel: "Linux kernel version for jessie"

Q: Will Linux 3.16 get long term support from upstream? A: The Linux 3.16-stable branch will *not* be maintained as a longterm branch at kernel.org. However, the Ubuntu kernel team will continue to maintain that branch, following the same rules for acceptance and review, until around April 2016. I can continue maintenance from then until the end of regular support for 'jessie'.

wonach Ubuntu den Kernel bis April 2016 pflegt - fragt sich wozu???

chris34

Ikhaya- und Webteam

14 24. Oktober 2014 18:38

@13 Weil die Ubuntuimages – Version 14.04.2 – ab April 2015 mit Kernel 3.16 ausgeliefert werden. (siehe offizielles Ubuntu-Wiki für eine Grafik zum Kernel-Support). Warum das? Kurz: Damit setzt Canonical die Strategie der „Hardware Enablement Stacks“ fort. Der Sinn dahinter ist, bei dem langen LTS-Supportzeitraum von 5 Jahren bei Neuinstallationen neue Hardware zu unterstützen. (die ein alter Kernel +XServer ggf. eben noch nicht unterstützt) Fast Analog kann man das von Ubuntu 12.04 übernehmen. Hoffe das konnte in dieser Kurzfassung helfen, ansonsten sind die Links auch ganz interessant. 😉

crematory3

15 24. Oktober 2014 20:31

@10 Ubuntu 14.10 bekommt sogar nur 9 Monate Support.

Das_Auge

Avatar von Das_Auge
16 25. Oktober 2014 20:24

@12: Danke, diese Änderung war gut, jetzt ist es unmissverständlich. Ich hatte mich schon gewundert, warum da ein Einhorn als Zicklein abgetan wird.