Ikhaya: Erinnere Dich an die Zeit zurück, als Du die Idee hattest den alten Kicker zu ersetzen: wie viele Deiner ursprünglichen Ziele wurden erreicht?
Kicker in KDE 3 |
Aaron: Das ist eine schwer zu beantwortende Frage, weil die ursprünglichen Ziele so klein und harmlos waren im Vergleich zu dem wo wir gelandet sind. Ich hatte ursprünglich nicht über Smartphones und Media Center nachgedacht, oder die Möglichkeit Widgets live über das Netzwerk zwischen Maschinen herumschwirren zu lassen … aber das ist was wir erreicht haben. Wenn es dazu kommt Leuten zu erlauben Arbeitsflüße zu definieren, dann ermöglichen wir das über Aktivitäten. Meine Ziele zur visuellen Schönheit wurden definitiv übertroffen. Die Möglichkeiten eines integrierten Widgetsystems sind ähnlich an meinen Hoffnungen vorbeigezogen.
Wir haben immer noch viel zu tun, aber dies hauptsächlich, weil die Ideen mit denen wir gestartet sind uns so viele neue Türen und Pfade eröffnet haben, die wir nun erkunden wollen. Wir sind noch nicht fertig – auf keinen Fall – aber ich bin sehr zufrieden mit der Vorstellung, dass die ersten Ziele erreicht wurden.
Ikhaya: Als Support-Plattform wissen wir, dass es immer noch einige Probleme gibt. Welches sind die größten Probleme in KDE die noch ausgebessert werden müssen?
Aaron: Einige der Herausforderungen denen wir gegenüberstehen liegen nicht direkt in unseren (KDEs) Händen. Wir begegnen vielen Problemen durch Änderungen in der zugrunde liegenden Architekturen. Zum Beispiel war das Aufkommen von PulseAudio fürchterlich störend für viele unserer Nutzer. Es gibt auch viele andauernde Qualitätsprobleme denen wir gegenüberstehen, wie den Zustand von X.org und seinen Treibern. Auch wenn sich diese derzeit verbessern, machen sie das oft in einer Geschwindigkeit, die nicht so schnell ist wie wir das gerne hätten. Das ist jedoch wahrscheinlich immer so, egal wie schnell sie sich verbessern, da dies die Art ist wie wir Menschen funktionieren. 😉
Aber vielleicht ist der größte Bereich, der Aufmerksamkeit benötigt, brauchbare Dokumentation. Userbase ist eine vergleichsweise neue Anstrengung den Prozess des Schreibens von Dokumentationen für das größtmögliche Publikum durch die Verwendung eines Wikis zu öffnen. Es legt auch Wert auf „How to…“ ähnliche Dokumentationen wie die präzise Beschreibungen von Menüeinträgen zum Beispiel. Mehr Leute zum Schreiben und Mitarbeiten in diesem Wiki zu bringen, wird allen Nutzern von KDE Software zu Gute kommen.
Neben der Dokumentation haben wir immer noch viel zu tun wenn es um den sozialen/semantischen Desktop geht. Es ist nicht nur für uns neue Technologie, sondern auch im Allgemeinen: kein anderes Softwareprodukt, welches für Endnutzer gedacht ist, hat jemals versucht was wir mit Nepomuk, Strigi, etc. machen. Wir erfinden also neue Lösungen zu neuen Problemen während wir voranschreiten und dabei viel während des Prozesses lernen. Wir haben sicherlich noch einige Jahre vor uns bevor wir wirklich die kompletten Vorteile nutzen können.
Kontact erscheint auch erst jetzt in einer vollständig aktualisierten Version, welche das neue Groupware System (Akonadi) verwendet und sich mit dem Rest der Plattform integriert. Diese Anstrengung war seit Jahren in Arbeit und war unglaublich nicht-trivial zu erreichen, aber die Ergebnisse kommen endlich durch. In den nächsten Monaten werden wir die erste große Veröffentlichung sehen und mit ihr Verbesserungen in Performanz und Zuverlässigkeit.
Es gibt auch noch viel an den Plasma Workspaces zu machen, einschließlich Verbesserungen an der Infrastruktur von Arbeitsflächeneffekten, die von KWin bereitgestellt werden, und der Standardisierung der Effekte über Fenstermanager hinweg – beides passiert zur Zeit. Verbesserungen an den Plasma Aktivitäten sind fortlaufend und die neuen Workspaces kommen auch gut daher.
Es gibt viel zu tun … und das bedeutet, dass es sehr verschiedene Möglichkeiten gibt, für diejenigen, die sich in irgendeiner Art einbringen wollen. Die Schwelle ist sehr, sehr niedrig und das schließt alle Arten von nützlichen Aufgaben ein: Schreiben von Dokumentationen im Wiki, Bug Triaging, Beisteuern selbst der kleinsten Patches, um Sachen zu verbessern über reviewboard.kde.org.
Ikhaya: Gibt es ein Feature von dem Du dachtest das es nie funktionieren wird und dann vom Gegenteil überrascht wurdest?
Aaron: Philosophische Randbemerkung: Ich versuche das Wort „niemals“ zu vermeiden. Ich habe in den Jahren zu oft Dinge gesehen die „unmöglich“ sein sollten, also bin ich vorsichtig, so zu denken. Stattdessen versuche ich, mir die Risiken anzusehen und abzuschätzen wie lohnenswert es ist, darin zu investieren ... aber nun genug Philosophie:
Ein Feature, das meine vorherige Bewertung völlig weggeblasen hat, waren die Desktopeffekte auf Basis von OpenGL. Es ist nicht leicht dies vernünftig umzusetzen, es schwirren nicht gerade viele „Hacker“ umher, die sich mit OpenGL auskennen und damals hatte Compiz diese Nische im Bereich Freier Software bereits besetzt.
Wir konnten Compiz aus Gründen der Stabilität, Integration und der Voraussetzung auch auf Systemen ohne OpenGL zu funktionieren, nicht benutzen. Aber trotz der Risiken und der entmutigenden Anstrengungen mussten wir die Sache angehen. Die Ergebnisse waren phänomenal. Heutzutage inspirieren sich Compiz und Kwin Entwickler gegenseitig und Kwins Effekte sind Spitzenklasse. Viele Bereiche beim Plasma Desktop, zum Beispiel das bildschirmfüllende Widget „Dashboard“ oder Meldungen im Panel, haben sehr von diesen Effekten profitiert.
Eine der vielleicht größten Überraschungen war der Erfolg, dass wir uns nicht nur mit dem Desktop beschäftigen, sondern auch andere Formfaktoren wie Tablets, Netbooks und Smartphones. Die meisten Leute aus dem „mobilen Bereich“ mit denen ich gesprochen habe, waren sehr skeptisch, ob wir diesen Sprung erfolgreich meistern können. Manche warfen ein, das wir unseren kompletten Stack neu schreiben müssen. Andere meinten, dass unsere Benutzeroberflächen von Grund auf neu gestaltet werden müssen. Wir entschieden uns, diese Thematik auf eine neue Art anzusehen: ein Gerätebereich, der von Geräten mit kleinen Touchscreens bis hin zu Arbeitsplätzen mit Mäusen und Tastaturen reicht. Dieser Weg ist ähnlich wie der, den die Linux Kernel Entwickler gehen. Sie sehen Computer als Bereich von „embedded Systems“ bis hin zu Supercomputern.
Mit Plasma benutzen wir buchstäblich den selben Code und viele der gleichen Oberflächenkomponenten auf all diesen Geräten. Viele gingen davon aus, dass dies unmöglich sei, aber wir fühlten, dass dies machbar sei. Wie gut es funktionierte, überraschte aber dennoch alle von uns. Dass das Wetter Widget auf meinen Desktop hervorragend als bildschirmfüllende Wetter App, oder dass das Microblogging Desktop Widget perfekt als Smartphone Twitter App funktioniert … die Qualität dieser Umsetzung übertraf alle unsere Erwartungen.
Für Programme wie Marble, Koffice und Kontakt hat sich die Trennung von Benutzeroberfläche und Code wirklich bezahlt gemacht. Jedes einzelne dieser Projekte war in der Lage, große Teile ihrer Programmlogik und der Oberfläche weiterzuverwenden (die Karte in Marble, die Leindwand in Koffice und die Kalenderansicht in Kontact). Nochmal, wir haben nicht erwartet, dass es so gut funktioniert.
Ikhaya: Wie kann man sich am besten beteiligen? Wo braucht ihr Hilfe?
Aaron: Der bevorzugte Weg etwas beizutragen ist offen und mit Spaß. ☺ Es gibt zahlreiche Bereiche in denen man sich betätigen kann. Dazu gehörten: Promotion, Testen, Fehlersuche, das Schreiben von Dokumentationen, an der Verbindung zwischen KDE und Distribution zu arbeiten, Systemadministration (wir haben mittlerweile eine große Menge an Infrastruktur!), Arbeiten am Design und natürlich Softwareentwicklung. All diese Bereiche brauchen Aufmerksamkeit und wir haben nette Menschen in jedem von ihnen. Suche dir etwas heraus, dass deinen Fähigkeite entspricht und steige mit ein.
Du findest uns im irc.freenode.net im Channel #kde-devel ebenso wie auf der KDE Mailingliste (http://www.kde.org/support/mailinglists/) und eine Menge helfender Menschen unter forum.kde.org.
Ikhaya: Wie gut sind die Fehlermeldungen die die Benutzer einreichen?
Screenshot Dr. Konqi |
Aaron: Ziemlich gut und werden immer besser. Das verbesserte *Absturzmeldewerkzeug* (Dr. Konqi) in KDE hilft den Benutzern, viel bessere Fehlermeldungen zu erzeugen. Es kann sogar die Debug-Symbole herunterladen, installieren und dann einen neuen Backtrace mit mehr Details erzeugen ... all das mit einem Knopfdruck. Außerdem sucht es (und findet oftmals) doppelte Einträge in bugs.kde.org. Wir haben hart an den Werkzeugen gearbeitet und passen das Melden von Fehlern und die Interaktion mit bugs.kde.org an unsere Community an.
Ikhaya: Was sind die häufigsten Fehler?
Aaron: Über einen Entwickler ärgerlich werden, weil man nicht erkennt, wieso etwas nicht funktioniert. Es ist verständlich, frustriert zu sein, wenn etwas nicht funktioniert. Aber es sind echte Menschen, auf der anderen Seite des Bugreports, die ihre Arbeit gratis veröffentlichen. Zu oft fangen die Leute an, aggressiv zu sein und schreiben einen Report mit viel ... nun ... Schimpferei. ☺ Das nutzt überhaupt nicht und senkt in Wirklichkeit die Wahrscheinlichkeit, dass die Meldung entsprechend behandelt wird. Es demotiviert die Entwickler und einige von ihnen sind in der Vergangenheit wegen solcher Vorfälle schon gegangen. Die Erwartungen und Vereinbarungen der Community können hier:
http://www.kde.org/code-of-conduct/
eingesehen werden.
Abseits solcher „sozialen Unfälle“ ist das Fehlen von nützlichen Informationen ebenfalls ein häufig gemachter Fehler. Eine einfache Schritt-für-Schritt Anleitung, um den Fehler zu reproduzieren, ist „reines Gold“ für einen Entwickler; Bildschirmfotos sagen oftmals mehr aus als tausend Worte; komplette Backtraces im Falle eines Absturzes sind immer sehr erleuchtend. Hier einige weitere Punkte:
http://techbase.kde.org/Development/Tutorials/Debugging/How_to_create_useful_crash_reports
Ikhaya: Was ist deine Lieblingsanwendung in KDE?
Aaron: Oh wow ... eine auszuwählen ist buchstäblich unmöglich. Ich liebe zu viele von ihnen aus verschiedenen Gründen. ☺
ubuntuusers: Gibt es eine Kooperation mit Canonical? Und wenn ja, wie gut funktioniert diese?
Aaron: Es gibt eine. Wir haben beispielsweise *technische Vorschauen* von Plasma Netbook mit dem Kubuntu Team gemacht und danach gemeinsam am Erlebnis des Kubuntu Netbook Remixes gearbeitet. App Indicators sind ein Resultat der erfolgreichen gemeinsamen Arbeit. Canonical hat die Status Notifier Spezifikation aus KDE übernommen und baut darauf die App Indicators von Gtk und GNOME Anwendungen. Canonical hat ebenfalls Verbesserungen an dieser Technik wie zum Beispiel das DBusMenu zurückfließen lassen. Dies hat nicht nur KDE und GNOME Software verbessert, sondern nun arbeiten beide viel besser zusammen, wenn diese Systeme zusammen auf dem Desktop laufen.
Es gibt, wie immer, Verbesserung, die gemacht werden müssen und neue Potentiale, die erschlossen werden müssen. Aber wir sind meiner Meinung nach auf einem guten Wege, um die gute Kommunikation, Zusammenarbeit und die „Begegnung auf Augenhöhe“ weiterzuführen.
Ikhaya: Du hast eine Präsentation auf der diesjährigen KDE Entwickler Konferenz Akademy in Tempere/Finnland gehalten. Nun haben ein paar Gerüchte über „Elegance“ gehört. Was bedeutet es?
Aaron: Elegance (deutsch: Eleganz) ist ein Attribut welches ungewöhnliche Effizienz und Einfachheit beschreibt. Es verkörpert die Sensibilität bezüglich Design, als auch eine bestimmte Stufe der Nützlichkeit in einem Konzept. Es reicht nicht, einfach nur überschaubar oder einfach zu sein: es muss zudem noch praktisch oder effizient sein. Es reicht nicht praktisch zu sein: es muss außerdem noch „geschliffen“ sein.
Elegance kommt in vielen Ausprägungen und ist im Großen und Ganzen für alle Aspekte der Erschaffung und des Design anwendbar, und daher entschied ich, es für die KDE Community im Rahmen meiner Keynote zu betonen. Wir können es für unsere Applikationsentwicklung APIs benutzen, aber ebenso für unsere Benutzeroberflächen, also ist es ein ganz allgemeines Konzept. Es ist auch eines der Schlüsselkonzepte, welches mit wiederholten Verbesserungen angegangen werden kann und hat immense Auswirkungen auf die „Vergnügsamkeit“ eines Produkts.
Ich glaube das KDE Software große Chancen mit „Elegance“ hat. Durch das Weglassen von Fachbegriffen in unserem Oberflächen, die weitere Verbesserung an den Konfigurationsmöglichkeiten, neue Wege der Nutzung von Metadaten für unseren sozialen/semantischen Desktop … dies sind alles kleine Dinge an und für sich, aber bedürfen einer weltweiten Aufmerksamkeit in Hinsicht auf Details und Implementierung. Zusammengenommen können wir dadurch KDE Software auf eine völlig neue Stufe stellen.
Viele der aktuellen Entwicklungen in KDE wurde schon von der Idee „Elegance“ vorangetrieben. Ich denke, dass es an der Zeit ist, uns dem gegenüber zu öffnen und bewusst zu werden. ☺
Ihr werdet mehr darüber in den nächsten Wochen hören, während wir einige Hilfssysteme bauen, um das Ziel von „Elegance“ in KDE zu verfolgen.
Ikhaya: JavaScript hat in Plasma Einzug gehalten. Wie gut wird es angenommen?
Aaron: Es gibt eine Reihe von Stellen, an denen sich Javascript und der Plasma Desktop kreuzen. Eine davon ist das „Plasma Shell Scripting“:
http://techbase.kde.org/KDE_System_Administration/PlasmaDesktopScripting
Dieses wird von vielen Distributionen dazu benutzt, das Aussehen von Plasma Desktop bzw Netbook zu verwalten und anzupassen. Kubuntu benutzt es zum Beispiel, um das Standardaussehen des Plasma Desktops anzupassen.
Eine weitere wichtige Rolle spielt Javascript bei der Erstellung von neuen Widgets oder Plasmoiden:
Dies hat die Entwicklung lustiger, cooler und praktischer Anwendungen für ein völlig neues Publikum eröffnet. Ich persönlich finde, dass die Entwicklung solcher Dinge mit Javascript viel schneller und lohnenswerter ist.
Mehrere Anleitungen kann man im KDE Examples Modul finden:
http://websvn.kde.org/trunk/KDE/kdeexamples/plasma/javascript/
Es gibt weitere Orte an denen Javascript verwendet wird. Dazu gehören zum Beispiel Animationen, und wir machen uns in diesem Bereich ebenfalls gut.
Ikhaya: Nenne drei Worte die Du mit KDE verbindest:
Aaron: Freiheit, Spaß und Freunde
Ich weiß, dass es für viele KDE Benutzer da draußen nur um Software auf ihren Rechnern geht und es eine ziemlich „kalte“ Zusammenstellung von Konzepten ist. Und das ist gut so. Aber für diejenigen wie mich, die unsere kreative Energie und Teile unserer Seelen in die Sache hineinstecken, ist es soviel mehr geworden. Man kann sich kaum etwas lohnenswerteres vorstellen.
Dank an martingr für die Screenshots und die Unterstützung beim Übersetzen.