„Zur gleichberechtigten Teilhabe an der Gesellschaft gehört Bildung.“ (Bundeszentrale für Politische Bildung) Manche Binsenweisheiten müssen noch einmal explizit formuliert und durch Studien belegt werden, um wirklich in das Bewusstsein der Menschen zu gelangen. Das gilt wohl auch für diese. Zur gleichberechtigten Teilhabe an der Gesellschaft gehört Bildung.
Das trifft binnenpolitisch genauso zu, wie zwischenstaatlich und multilateral. Jedes Gelingen von Integration, ganz gleich ob es darum geht Migrantinnen und Migranten in eine Gesellschaft zu integrieren oder ein Land in eine internationale Staatengemeinschaft, hängt maßgeblich davon ab, ob alle Beteiligten einen gleichberechtigten Zugang zur Bildung erhalten. Eine Studie aus der Schweiz, die landesweit zu diesem Thema in Auftrag gegeben wurde, stellt die entscheidenden Fragen:
- Wie kann der Zugang zur Bildung gefördert werden?
- Welche Hindernisse stehen einer Nutzung der Bildung im Wege?
- Welche formellen und informellen Bildungsformen bieten sich bevorzugt an?
Und laut einer Studie des Familienministeriums in Berlin von 2004 schafft bessere Bildung für künftige Generationen die Basis für eine eigene wirtschaftliche Existenz.
Wie gesagt, eigentlich sind das alles Binsenweisheiten, die nur deshalb noch einmal wiederholt werden, weil es nicht oft genug gesagt werden kann. Hier soll nun im Weiteren das Augenmerk auf einen Aspekt aus dem weiten Feld der Bildung gerichtet werden: Der gleichberechtigte Zugang aller Menschen zu den Quellen des Wissens.
In der heutigen Informationsgesellschaft ist das technisch überhaupt kein Problem. Jeder könnte an jedem Ort der Welt über alle Informationen verfügen, die er braucht und die er haben will. Er müsste nur „können“. Es ist letztlich eine politische und eine wirtschaftliche Entscheidung, ob man das will. Initiativen, die den gleichberechtigten Zugang aller zu den Quellen der Bildung anstreben und vielleicht sogar ermöglichen – und sei es nur partiell – verdienen unsere Aufmerksamkeit. Freier Zugang für alle! Das kann global betrachtet nur zweierlei heißen: Frei im Sinne von freiheitlich und frei im Sinne von kostenlos.
ubuntu bietet beides. Und das national, wie international außerordentlich erfolgreich.
Technischer Fortschritt aus Afrika? Das klingt in unseren Ohren wie Bananen aus Grönland
Aber vielleicht liegt das ja an unseren Ohren? So schreibt die Süddeutsche: „... auf unseren inneren Landkarten taucht Afrika vorwiegend als Sorgenkind auf, weniger als selbstbewusster Produzent weltweit konkurrenzfähiger Güter. Das könnte sich bald ändern – und es beginnt in einem Bereich, den man wohl am wenigstens auf der Rechnung hatte. Es geht um High-Tech. Es geht um Linux, genauer, um die neueste Variante dieses Betriebssystems für Personal-Computer. Sie heißt ubuntu und hat Erfolg wie kaum ein Linux zuvor.“
ubuntu ist nicht nur eine Ansammlung von Software – hinter der Idee steckt eine tiefgründige Philosophie: ubuntu ist ein altes afrikanisches Wort, welches (Mit-)Menschlichkeit im besten Sinne bedeutet. Es ist der Glaube an etwas Universelles, das die gesamte Menschheit verbindet. Dieses Konzept ist die Grundlage für ubuntu. Der südafrikanische Erzbischof Desmond Tutu beschreibt Ubuntu so: „Ein Mensch mit Ubuntu ist für Andere offen und zugänglich. Er bestätigt Andere und fühlt sich nicht bedroht, wenn jemand gut und fähig ist, denn er oder sie hat ein stabiles Selbstwertgefühl, das in der Zugehörigkeit zu einem größeren Ganzen verankert ist.“ (ubuntu Anwenderhandbuch S.20) Für Tempora Leser mögen solche Sätze nicht gerade fremd klingen, in einem Computerhandbuch sind sie aber geradezu revolutionär.
Dahinter steht die Shuttleworth Stiftung aus Südafrika und gemeinsam mit dieser Stiftung hat die ubuntu Gemeinschaft einige Grundsätze formuliert. Dort stehen dann so Sätze wie:
- Jeder hat das Recht, alle Computerprogramme seiner Wahl uneingeschränkt kostenlos zu nutzen.
- Jeder hat das Recht, alle Programme seiner Wahl beliebig oft zu kopieren und an jeden weiterzugeben, ohne etwas dafür bezahlen zu müssen.
- Jeder hat das Recht, Programme seinen Bedürfnissen und Wünschen anzupassen und zu verändern und darf durch nichts daran gehindert werden.
- Alle fühlen sich verpflichtet, ihre Erfahrungen, ihr Wissen, ihre Fragen, Probleme und Lösungen mit allen zu teilen und so eine Gemeinschaft aus Hilfsbereitschaft zu bilden.
- ubuntu soll in möglichst alle Sprachen der Welt übersetzt werden, damit jeder es in seiner Muttersprache benutzen kann.
Bei all dem setzt ubuntu auf Benutzerfreundlichkeit und einfache Bedienung, damit auch der Neueinsteiger keine unüberbrückbaren Hürden vorfindet. Dazu weiter unten mehr.
Geistige Hintergründe
Doch die technische Seite von ubuntu soll nicht im Mittelpunkt stehen, auch wenn sie sehr interessant ist. Hier soll der Fokus mehr auf die geistigen Hintergründe gerichtet werden. Anlässlich der Gründung des Vereins ubuntu Deutschland schreibt ein Gründungsmitglied: „Es gibt eine Menge edle Ziele, um die Welt zu verbessern: den Welthunger stillen, den Krieg abschaffen, Krankheiten ausrotten, Bildung für alle. Die erste und wichtigste Komponente in diesem System muss die Bildung sein. ...Wollen wir eine Zukunft, die jedem – und zwar unabhängig vom gesellschaftlichen Stand – Zugang zur Bildung ermöglicht? Wie viel Zeit wollen wir dafür aufbringen? Zwei Stunden täglich oder einige Stunden im Jahr? Wollen wir überhaupt etwas dafür tun? Wie viele Menschen müssen das 'wollen', bevor die Vision möglich wird? Ist mein persönlicher Einsatz wichtig, kann ich etwas bewirken?“
Menschen bilden Netze. Und aus der Hirn- und Nervenforschung weiß man, dass die Entwicklung menschlicher Intelligenz ganz wesentlich von seiner Fähigkeit bestimmt wird, schnell neue und umfangreiche Vernetzungen aufzubauen. Wäre es also denkbar, menschliche Grundsätze mit technischem Wissen zu verknüpfen?
Das passt schon, würde vielleicht ein Bayer sagen, und gleich fragend nachhaken: Aber läuft es denn auch? Viele gutgemeinte Ideen scheitern oft daran, dass sie zu kompliziert sind, nicht richtig funktionieren und sich darum nicht etablieren können. Da ist dann neben Toleranz und Idealismus auch der Verzicht auf Komfort gefordert und es dauert nicht lange und man gibt das Thema wieder auf. ubuntu ist seit seinem ersten Erscheinen im Oktober 2004 die unangefochtene Nummer eins auf der Beliebtheitsskala der freien Computerprogramme! Auch die Presse ist voll des Lobes. Dabei steht für die eher technisch orientierte Fachwelt das Funktionieren im Vordergrund und die Leistungsfähigkeit. Die ist unbestritten und füllt die Titelseiten der Zeitschriften bis heute. ubuntu ist der Shootingstar schlechthin. Da scheint jemand die Technik mit Mitmenschlichkeit erobert und durch Leistung überzeugt zu haben.
Die Mühe lohnt sich, ubuntu kennen zu lernen. Das geht völlig gefahrlos über eine sogenannte Live-CD. Dazu muss nichts installiert oder gar am Computer verändert werden. Das komplette Programm startet von der CD und man kann ubuntu nach Herzenslust ausprobieren. Hat man dann Gefallen daran gefunden und will es auf seinem Rechner haben, findet man nicht nur ein ausgezeichnetes Handbuch (natürlich) kostenlos im Internet, sondern auch eine sehr muntere und hilfsbereite ubuntu-Gemeinde, die über alle Hürden hinweghilft. Vielleicht entdeckt man dann auch „mehr Menschlichkeit am PC“, wie der Deutschlandfunk seine Sendung im vergangenen Jahr überschrieb. Bleibt noch anzumerken, dass in Mazedonien gerade 5000 Schulen mit ubuntu ausgestattet wurden. Aus drei Gründen: Es ist kostenlos, es läuft auch auf alten Rechnern und es ist ins Mazedonische übersetzt.
An dieser Stelle möchte ich mich nochmals ausdrücklich für diesen Artikel bedanken. Danke Thomas