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Interview mit Florian Leeber von UBports

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Auf dem UBports-Hackathon in Wien ergab sich die Möglichkeit für ein Interview mit Florian Leeber von UBports. Er sprach mit jonius über die kommende Stiftung und was hinter den Kulissen von UBports passiert.

Hallo Florian! Wer bist du und was ist deine Rolle bei UBports?

Ja, ich bin der Florian aus Wien (aka Flohack). Ich bin vor zwei Jahren dazugestoßen zum Projekt Ubuntu Touch als reiner Nutzer und hab mich dann ein bisschen mehr eingearbeitet, weil ich einfach wissen wollte, was dahinter steckt. Ich wollte zuerst nur Portierung machen, bin im Endeffekt aber nach dem Ende von Ubuntu Touch bei Canonical im Team gelandet als Betreuer der Infrastruktur für Server und Build-Prozesse. Das ist meine primäre Rolle. Ansonsten bin ich aber noch im Board of Directors der Foundation (Stiftung), die gerade gegründet wird.

Warum gründet UBports eine Stiftung?

Um offiziell aktiv sein zu können. Um aus den Einnahmen, die wir generieren, also aus den Spenden, auch Ausgaben machen zu dürfen. Zum Beispiel um Programmierer zu bezahlen, die nicht nur ehrenamtlich tätig sein wollen. Da haben sich nur zwei Dinge angeboten: Das eine ist ein Verein, das andere eine Stiftung. Die Stiftung deswegen, weil es sehr viele bereits bestehende Open Source-Stiftungen gibt, die damit erfolgreich sind. Das kommt daher, dass ein sehr hohes Vertrauen in eine Stiftung gesetzt wird, weil eine Stiftung auch mit sehr hohen Auflagen verbunden ist, wie mit dem Geld umgegangen wird. Um also das Geld bestmöglich zu verwalten, das gespendet wird, haben wir uns das mit der Stiftung angetan. Das ist zwar ein bisschen mühsam, aber es ist das für die Zukunft stabilere und erfolgsversprechendere Projekt. Damit soll wirklich etwas geschaffen werden, was einen bleibenden Mehrwert für die Community hat. Die Stiftung soll deshalb auch gemeinnützig sein und das wird auch hineingeschrieben in den Stiftungstext.

Wie steht UBports finanziell denn da?

Auf den Groschen oder Pfennig genau weiß ich das jetzt nicht. Aber es ist so, dass wir einen Hauptsponsor haben. Das ist die Firma Smoose bzw. der dahinter stehende CEO. Dann gibt es noch ein paar große Sponsoren, die uns Infrastruktur spenden, zum Beispiel Digital Ocean, packet.net oder Private Internet Access. Dazu sehr sehr viele kleine Firmen oder Privatpersonen, die über die normalen Spendenkanäle etwas einwerfen, die also entweder monatlich ein paar Euro spenden oder Einmalzahlungen machen.

Im Großen und Ganzen stehen wir sehr gut da, muss man sagen, weil wir derzeit als Kosten praktisch nur die Infrastruktur haben. Wir können jetzt Geld ansparen, um dann größere Ausgaben stemmen zu können, wenn die Stiftung kommt.

Wie hat sich UBports über das letzte Jahr allgemein entwickelt?

Als wir gestartet sind, waren die Ambitionen sehr hoch, dass wir in kurzer Zeit alles zum Laufen bringen. Es hat sich in der Praxis gezeigt, dass einige Dinge sehr viel länger brauchen, als wir geglaubt haben. Auch die Gründung der Stiftung dauert schon viel zu lange. Deswegen haben wir schon sehr viel internen Druck und Diskussionen gehabt, ob wir das beschleunigen können. Aber wir müssen den Dingen ihren Lauf lassen. Wir müssen auch mit den Amtswegen rechnen, die gerade in Mitteleuropa zum Teil sehr lang sind (die UBports Foundation wird eine deutsche Stiftung sein).

Auf der anderen Seite haben wir sehr viele Dinge sehr schnell zum Laufen bekommen. Der grundsätzliche Aufbau der Community hat sich gut entwickelt. Es gibt mittlerweile sehr viele Leute, die aktiv dabei sind und auch von sich aus Aufgaben übernehmen. Also im operativen Teil schaut es nicht schlecht aus.

Im strukturellen Teil haben wir einfach noch das Problem, das wir immer noch sehr viel Organisation machen müssen: Wie Aufgaben verteilt werden, wie Probleme angegangen werden, wie Durchlaufzeiten verkürzt werden für Wünsche, Beschwerden und Anregungen der Community, aber auch, wie wir mit Firmen zusammenarbeiten. Generell können wir im Moment noch nicht mit Firmen zusammenarbeiten, weil wir keine Rechtspersönlichkeit haben, die Stiftung in unserem Fall. Das heißt, ohne die Stiftung können wir zum Beispiel keine Kooperation machen mit einer Firma. Auch im Marketing gibt es noch einiges zu verbessern. Die Homepage hat sehr lange gebraucht, bis sie jetzt halbwegs brauchbar ist und sie ist immer noch verbesserungswürdig.

Also ich würde sagen, auf der Basis haben wir uns sehr gut entwickelt. Auf den darüber liegenden Schichten besteht auch aufgrund dessen, dass viele ehrenamtlich und nur in der Freizeit tätig sind, noch sehr viel Verbesserungsbedarf.

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Florian (Mitte) beim UBports-Hackathon in Wien 2018
CC BY-SA 4.0 UBports Community

Wie stark ist Deutschland in der Community vertreten?

Deutschland ist das stärkste Land, sowohl von den Nutzern her, als auch von der Community. Es scheint die meisten Ubuntu Touch-Nutzer in Deutschland zu geben. Darüber hinaus gibt es sehr viele in Spanien. Das ergibt sich daraus, dass BQ eben ein spanischer Hersteller ist und sehr viele Geräte dorthin verkauft wurden. Ansonsten kommen dann die Länder, die man eigentlich erwarten würde, wie die USA. Die hinken alle etwas hinterher, auch wenn Canonical vor allem im englischsprachigen Raum sehr viel aufgetreten ist und da auch sehr viel in Marketing investiert hat. Wir wissen leider nicht sehr viel über Asien. Da gibt es nur vereinzelte Nutzer, die wir kennen. Wir wissen nicht, ob es dort eine Community gibt, zu der einfach keine Kommunikation besteht. Wobei sicherlich Deutschland den größten Teil der Community ausmacht.

Wie viel Freizeit investierst du in UBports?

(lacht) Einiges an Freizeit. Wir haben regelmäßige Meetings. Pro Woche gehen ungefähr 2-3 Stunden für Meetings drauf. Weitere 3-4 Stunden gehen in das Durchsehen von Tickets auf Github, die Foren und Supergruppen, die ganze Kommunikation. Ich würde sagen, in Summe sind es schon pro Woche 10-15 Stunden, manchmal vielleicht sogar 20 Stunden.

Was habt ihr mit Ubuntu Touch die nächsten Monate vor?

Es gibt jetzt endlich eine Roadmap. Wir haben jetzt nach den OTAs (Systemaktualisierungen), die sehr lange gedauert haben, den Plan, dass die OTA-Geschwindigkeit ein wenig erhöht wird. Wir haben jetzt gleich das OTA-6 nach dem OTA-5, wo zum Beispiel der Browser im Fokus steht, dass der endlich mal gefixt ist. Und wir wollen anhand der Meilensteine, die wir uns in Github gesetzt haben, eine Roadmap über mehrere Monate verfolgen.

Wenn wir ein Problem haben, dann müssen wir etwas machen, dass das nächste OTA nicht 2-3 Monate dauert, sondern dass wir es wirklich schaffen, hier deutlich drunter zu kommen. Wir haben auch das Problem, dass wir die Sicherheitsaktualisierungen, die wir aus 16.04 bekommen, nicht zu lange verzögern dürfen. Da hat es keinen Sinn, mit einem OTA monatelang zu warten, weil irgendein Feature noch nicht fertig ist. Sondern eher das OTA mal raus schicken, mit den Updates, die von Canonical dazukommen.

Die genaue Roadmap ist auf Github. Ich hab jetzt nicht im Kopf, was in welchem Meilenstein kommt. Nach dem Browser wird es auf jeden Fall wieder ein bisschen Arbeit für Anbox geben, damit das ins Laufen kommt. Es wird für Unity8 etwas kommen, damit wir da auch weiter kommen und die Design-Ideen, die wir uns vorgenommen haben, umsetzen können. Das sind jetzt Mal die nächsten Monate bis zum Frühjahr.

Gibt es neue Geräte, auf denen Ubuntu Touch läuft?

Es gibt sehr viele Leute, die zu portieren begonnen haben für neue Geräte. Wobei man bei "neu" zwei Dinge unterscheiden muss: Neue Geräte als ein neuer Port, der auf einem alten Gerät läuft oder ein neues Gerät, dass ich jetzt im Geschäft kaufen kann als nigelnagelneu.

Brandneue Geräte gibt es derzeit noch keine. Da gibt es Gespräche mit einigen Herstellern, die Interesse gezeigt haben, wieder etwas mit Ubuntu Touch zu machen. Ich kann aber nicht zu viel darüber sagen. Das mit Purism und dem Librem 5 ist ja bereits öffentlich. Die Idee ist, dass das Librem 5 so ein Flagschiff wird, wo wir zeigen, dass Ubuntu Touch auch auf Nicht-Android-Geräten laufen kann und ohne den Ballast von Android auskommt. Da wird es sehr spannend, weil wir da noch drauf warten, wie das konkret aussehen wird.

Von der Community gibt es einen Haufen Portierversuche und Ports, die auf alten Geräten bereits Erfolge zeigen. Da ist aber noch nichts richtig fertig, weil einfach bei jedem Gerät irgendwas nicht geht, wie die Kamera oder das GPS. Einen hundertprozentig runden Port gibt es noch nicht. Es stehen aber ein paar in der Warteschlange, z.B. das One Plus 5 und mit dem Nexus 5X wird es vielleicht doch mal irgendwann noch was. Ich denke, es wird noch ein bisschen dauern, weil das Core Team derzeit für die Ports halt wenig Zeit investieren kann. Vielleicht bis zum Jahresende wird man hier noch was sehen.

Was nervt dich an Ubuntu Touch derzeit am meisten?

(lacht) Ich würde sagen, dass sehr viele Dinge begonnen, aber nicht fertig gemacht wurden. Und dass es vielleicht gescheiter gewesen wäre, mit weniger zu starten, was dann ein bisschen solider ist. Es ist schön, dass das Betriebssystem fast alles kann, was Android auch kann. Aber dafür kann es das halt nicht so gut. Es ist alles ein bisschen langsamer vielleicht. Manche Dinge stürzen ab. Es ist nicht optimiert für den Akkuverbrauch.

Einfach, dass hier von Canonical sehr schnell Dinge auf den Markt gebracht wurden, um zu zeigen, dass es geht. Das war gut und schön. Aber dann wurde scheinbar wenig Zeit investiert, das auch fertig zu machen. Wir müssen jetzt an allen Ecken und Enden gleichzeitig arbeiten, um das halt endlich so weit zu bekommen, dass ein normaler Nutzer sagt: Das kann ich mir für den Alltag vorstellen. Es ist interessant, dass es sehr viele Nutzer bereits im Alltag benutzen, obwohl es meiner Ansicht nach wirklich noch Dinge hat, die es extrem unbenutzbar machen. Zum Beispiel, dass das GPS, wenn ich irgendwo stehe, bis zu 10 Minuten braucht, bis ich weiß, wo ich stehe. Also die Location Services sind extrem langsam und unvorteilhaft für den Benutzer.

Und ansonsten, was ein bisschen nervig ist: Wir haben zwar den Vorteil, dass wir an Canonical dranhängen und von Upstream (offizielle Paketquellen) sehr viel bekommen. Dass wir aber gleichzeitig mit dem leben müssen, was in Upstream passiert, ohne dort mitreden zu können. Zum Beispiel ist der Netzwerkmanager sehr wichtig für ein Telefon. Wenn ich zum Beispiel vom WLAN ins normale Mobilfunknetz wechsele und wieder zurück, dann brauchen wir einen Netzwerkmanager, der das schnell macht und der das Netzwerk so verfolgt, dass ich nicht erst wieder warten muss oder plötzlich ausgeloggt werde. Oder ich nehme das Telefon in die Hand und bin nicht in meinem WLAN von Zuhause und muss mich erst wieder reinklicken. Der Netzwerkmanager wurde für den Desktop entwickelt und die wissen halt nicht, dass Mobilgeräte hier andere Anforderungen hätten. Es gibt nur zwei Möglichkeiten hier: Entweder wir forken das und versuchen das zu verbessern oder wir machen was eigenes. Das ist dann wieder extrem zeitaufwendig. Also Ubuntu Touch hängt noch immer sehr stark am Desktop und da gibt es einfach noch ein paar Dinge, die extrem nervig sind, die wir aber nicht so schnell beeinflussen können.

Wie ist der Stand bei der Unterstützung von Android Apps?

Anbox ist mittlerweile in einem Zustand, wo ich das schon selbst mal auf meinem Nexus 5 installiert und nur kurz probiert habe. Es ist noch nicht so, dass jeder Endnutzer es gleich mal installieren kann. Weil a) der Entwickler-Build mit jedem OTA überschrieben wird. Wenn ich ein OTA herunterlade, ist Anbox noch nicht drin und ich muss es jedes Mal manuell hinzufügen. Und b) ich muss das Boot Image austauschen, damit das funktioniert. Das ist halt auch nicht etwas, was jeder Nutzer gerne macht. Aber wenn ich die Anleitung befolge, die für Entwickler herausgegeben wurde, dann funktioniert das.

Die einfachen Apps lassen sich auch tatsächlich installieren. Ich muss derzeit die APK-Dateien allerdings manuell noch auf das Telefon bringen. Wir haben noch keinen Installer, der einfach vom Desktop die APK-Dateien einspielen würde und alles ist gut. Es ist halt allerdings so, dass sehr viele Apps ohne Google Play Services gar nichts tun. Ich selber wollte Car Sharing Apps für Wien haben. Drive Now zum Beispiel geht überhaupt nicht. Car2Go geht wahrscheinlich auch nicht. Die brauchen alle Google Maps und Google Maps braucht Google Play Services. Dann wollte ich mir die alternativen Play Services installieren und dann stürzt das Ganze ab. Es gibt also noch sehr große Abhängigkeitsprobleme.

Aber einfache Apps funktionieren, keine Frage. Und es schaut ganz trollig aus, wenn man den Freunden dann zeigen kann, dass Android Apps auch funktionieren. Anbox ist derzeit sicherlich das am meisten nachgefragte Feature hinter guten Webapps und einem stabilen Browser. Viele Menschen hätten halt gern doch ein oder zwei Apps, die sie auf Ubuntu Touch gern verwenden würden, die halt nur für Android verfügbar sind. Auf der Roadmap ist deswegen eben auch ausgezeichnet, dass wir es zumindest bis Anfang nächsten Jahres so weit haben wollen, dass die Nutzer es selber installieren können und dass alles ein bisschen runder läuft.

Müssen sich Nutzer sorgen machen, die ein Google-freies Telefon wollen?

Nein. Die Anbox wird in dem Sinne nicht standardmäßig installiert sein, als dass wir nur im Kernel ein paar Anpassungen machen müssen, damit der Android Container prinzipiell laufen kann. Aber jemand, der Anbox nicht möchte und weiterhin ohne Android Apps auskommt, der braucht das einfach nicht zu installieren. Also derzeit ist es so, dass es eine Nachinstallationskomponente ist und ich denke, das wird in der Zukunft auch so bleiben. Das ist ähnlich wie mit dem Libertine-Container (Container für Desktop Programme), wenn der nicht benötigt wird, wird einfach keiner erstellt.

Vielen Dank für das Gespräch!

Gerne.